Joule 02/2016 – Vielen Betreibern machen hoher Verschleiß und andere Mängel zu schaffen. Immer öfter lehnen Hersteller Mängelbeseitigung ab, verlangen hohe Preise für Reparaturen. Um das zu vermeiden, sollten Betreiber in solchen Situationen Folgendes tun.

Georg Rahlfs betreibt eine Biogasanlage in der Nähe von Celle. Die Ende 2011 in Betrieb genom­mene und zweimal erweiterte Anlage verfügt über 1.175 kWel Leistung aus vier BHKW. Sie wurde schlüsselfertig von einem süddeutschen Anlagenbauer errichtet. Schon kurz nach der Inbetriebnahme zeigten sich ers­te Probleme. So funktioniert die Dosierung der Fütterung nicht und die Heizung kann den Fer­menter nicht auf Temperatur halten.

Der Hersteller stellte Fut­terpläne zur Verfügung, nach denen der Betreiber die Anla­ge fütterte – jedoch erzeugte die nicht die planmäßige Gasmenge. Georg Rahlfs ließ den Gärrest untersuchen, dabei stellte sich heraus, dass über 20 % des Gas­potenzials ungenutzt ins Endla­ger wandern. Damit nicht genug, brauchen die BHKW deutlich mehr Gas für die Stromproduk­tion – der Wirkungsgrad der Motoren ist viel schlechter als in den Datenblättern angegeben.

Zu allem Überfluss zeigten die Motoren massiven vorzeiti­gen Verschleiß. Der Betreiber reklamierte die Mängel, wenn auch zunächst nicht mit aller Konsequenz, der Anlagenher­ steller reparierte einige Schäden, andere nicht, und stellte teilwei­se hohe Rechnungen für Repara­turen. Die erheblichen Ertrags­ einbußen, die durch schlechten Gasertrag, geringe Wirkungs­grade und die vielen Ausfälle verursacht wurden, gehen zu Lasten des Betreibers.

Die Schuldfrage klären

Der Fall von Georg Rahlfs ist sicher besonders schwerwie­gend, doch es ist weit verbrei­tet, dass Störungen und Mängel auftreten, die Anlage nicht rich­tig läuft, die erwartete Gas­ und Stromproduktion nicht erreicht wird – und der Hersteller die Verantwortung für die Schwie­rigkeiten auf den Betreiber schiebt. Und nicht selten kom­men finanzielle Engpässe hinzu, wenn sich Ertragseinbußen und hohe Reparaturkosten über län­gere Zeit hinziehen. Da ist Streit vorprogrammiert.

Sucht man nach Ursachen, warum so viele Betreiber Pro­bleme mit ihrer Anlage und dem Hersteller haben, wird ein Grundmuster erkennbar, das oft die Situation kennzeichnet: Es wurde nicht ausreichend verschleiß-­ und standfeste Technik verbaut, die viel zu schnell und zu oft kaputtgeht.

Anlagen wurden schlecht geplant und die Betreiber zu wenig in den Betrieb, die einzu­haltenden Betriebsbedingungen und die Anforderungen an die Anlagenführung eingewiesen – vor allem in den Boomjahren des Anlagenbaus. Und nahezu jeder Anlagenhersteller hat ver­sprochen, den Betreiber umfas­send im Betrieb zu unterstützen und so ein besonderes Vertrau­ensverhältnis aufgebaut.

Die Verträge, die zwi­schen Hersteller und Betreiber geschlossen wurden, lassen die Leistungsanforderungen an die Anlage und die einzuhalten­den Betriebsparameter völlig offen und regeln Inbetriebnah­me, Abnahme und Gewährleis­tung sehr einseitig zu Lasten des Betreibers, zumindest sieht es oft nach dem Wortlaut so aus. Anla­genhersteller berufen sich selbst dann darauf, wenn sie offen­sichtliche Fehler gemacht haben. Der Hersteller ist häufig der einzige Lieferant für Ersatzteile und Service, jedenfalls ist der Betrei­ber davon überzeugt, auch wenn dies längst nicht immer zutrifft. Der Betreiber hat noch Zahlungsverpfichtungen aus dem Bau der Anlage, mitunter auch aus vielen Reparaturen. Den Ertragsausfall muss er ganz alleine tragen.
Der Betreiber fährt die Anlage, wie er meint, dass es in Ordnung wäre. Häufig dokumentiert er zu wenig, gerade wenn es zu Pro­blemen kommt. Im Schadens­fall wird vieles mündlich bespro­chen, es fehlen Unterlagen und Fotos vor allem auf Seiten des Betreibers. Dokumente, Aufträ­ge und Reparaturberichte wer­den arglos unterschrieben, oft auch mit „sanftem“ Nachdruck, damit überhaupt eine Reparatur erfolgt. Diese typische Gemen­gelage provoziert Konflikte. Es erfordert erhebli­che Kompromissbereitschaft, will man für beide Seiten akzeptable Lösungen finden.

Wer trägt welche Verantwortung

In dieser Gemengelage sollte man sich zunächst klar werden, welche Verantwortung Betreiber und welche Hersteller für den guten wirtschaftlichen Betrieb einer Biogasanlage haben. Der Betrei­ber hat natürlich die Verantwortung, die Anlage richtig zu bedienen, zu füttern, zu warten und zu unterhalten. Der Hersteller hat die Verantwortung, eine Anlage zu errichten, die bestimmungsgemäß arbeitet. Das ist mit der Ablieferung einer Anla­ge, die die vereinbarte BHKW­-Leistung aufweist, jedoch noch längst nicht erledigt. Im Einzelfall kommt es auf die vertraglichen Vereinbarungen an, aber generell kann man sagen, dass der Her­steller bei schlüsselfertigen Anlagen, die er auch projektiert hat, in der Pficht ist, eine Anlage zu lie­fern, die wirtschaftlich arbeitet. Wenn dies durch Mängel, erhöhten Verschleiß, zu geringe Leistung oder wegen technischer Probleme nicht möglich ist, weil hohe und nicht zu erwartende Reparatur­kosten anfallen und der Ertrag viel niedriger ist als zu erwarten wäre, ist in vielen Fällen der Herstel­ler in der Mitverantwortung – er trägt eine Sys­temverantwortung.

Viele Anlagenhersteller sehen dies jedoch anders und berufen sich darauf, dass für den Betrieb allein der Betreiber ver­antwortlich sei.

Nicht jeder Verschleiß ist „normal“

Für die meisten Teile, die auf einer Anlage verbaut wer­den, gibt es Haltbarkeiten. Die Betriebsbedingungen sind dem Anlagenbauer vorher bekannt, und wenn etwa Rührwerke oder deren Verstellmechanik gehäuft kaputtgehen oder Ver­stopfungen auftreten, weil das Rohrsystem nicht dem zu för­dernden Medium entsprechend dimensioniert ist, dann sind das Konstruktionsfehler, für die der Anlagenbauer einstehen muss.

Anlagenbauer sehen immer gerne „normalen Verschleiß“, auch wenn es sich eigentlich um Konstruktionsfehler han­delt. Generell muss eine BGA so gebaut sein, dass sie mit den dort zu erwartenden Anforderungen klarkommt und die Komponen­ten eine den Umständen entspre­chende Standzeit aufweisen.

Wer schreibt, der bleibt!

Was kann ein Betreiber tun, dessen Anlage hohem Ver­schleiß, Reparaturanfälligkeit und schlechter Leistung ausge­setzt ist? Die erste Grundregel: Aufschreiben, dokumentieren, protokollieren, fotografieren, schriftliche Bestätigungen ein­ holen oder verfassen – Schrift­lichkeit und Dokumentation ist eine äußerst wichtige Grundla­ge des Erfolgs in Auseinander­setzungen an technischen Bau­werken. Denn in einer späteren Auseinandersetzung müssen alle Fakten belegt, alle Aussa­gen bewiesen werden.

Betreiber sollten alle Störun­gen in einem exakten Störungs­tagebuch protokollieren und so genau wie möglich beschreiben, wer was wann bemerkt hat, was getan wurde, wer in die Stö­rungsbeseitigung involviert wur­de und eventuell Anweisungen gegeben hat. Ferner sollten inter­ne Aktennotizen angefertigt und Telefonate und Gesprächsinhal­te festgehalten werden. Wenn Defekte schnell behoben wer­den müssen, damit die Anlage wieder läuft, ist oft keine Zeit, die Kostenfrage zu klären, und selbst im Nachhinein gelingt dies häufig nicht ohne Weiteres.

Der Betreiber sieht sich gezwungen, Rechnungen zu bezahlen, obwohl er der Mei­nung ist, das sei „eigentlich“ eine Reklamation. In diesen Fällen hilft es, Aufträge unter Vorbehalt der späteren Klärung zu erteilen und Zahlungen unter Vorbehalt der Rückforderung zu leisten.

Keinesfalls sollten Betrei­ber Reparaturen selbst vorneh­men oder durch andere Fir­men vornehmen lassen, wenn sie den Defekt beim Hersteller der Anlage reklamieren wollen. Zuerst muss immer dem Herstel­ler Gelegenheit gegeben werden, den Fehler selbst zu beseitigen. In dringenden Fällen können dafür auch sehr kurze Fris­ten gesetzt werden. Erst wenn gesetzte Fristen verstreichen und der Anlagenbauer nicht reagiert, sollten Dritte hinzugezogen wer­den. Und selbstverständlich gilt auch hier: alles schriftlich!

Bei nachhaltigen Leistungs-­ oder Verschleißproblemen soll­ten Betreiber das klärende Gespräch mit dem Hersteller suchen – dies erfordert gründliche Vorbereitung und Planung sowie klar definierte Gesprächsziele, sowohl im Hinblick auf die Besei­tigung technischer Probleme wie auch in wirt­schaftlicher Hinsicht. Die Gesprächsthemen soll­ten vorher abgestimmt sein. Betreiber sollten nie alleine in derartige Verhandlungen gehen, sondern kompetente Unterstützung hinzuziehen. Dies gilt ganz besonders, wenn auf der Seite des Anlagen­bauers mehrere Personen teilnehmen.

„Gute“ Anlagenbauer sind interessiert an ein­vernehmlichen Regelungen und versuchen, mit dem Betreiber eine gütliche Einigung zu finden. Dies gelingt nicht immer auf Anhieb, und meh­rere Verhandlungsrunden sind normal, wenn es um hohe Beträge für Reparaturen, unklare Verant­wortlichkeiten und um Ersatz von Ertragsausfäl­len geht. Mit Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten lassen sich aber häufig Lösungen finden.

Wenn jedoch die Probleme groß sind, der Her­steller nicht zu seiner Systemverantwortung steht und dem Betreiber die Lasten alleine aufbürden will, wird es sehr schwierig, Kompromisse zu finden. Ein Lösungsansatz kann dann die Einschal­tung eines Mediators sein, der zwischen den Par­teien vermittelt, wenn beide grundsätzlich damit einverstanden sind.

Georg Rahlfs gelang es nicht, einen Kompro­miss mit dem Anlagenbauer zu finden, zu unter­schiedlich waren die Vorstellungen der Verantwort­lichkeiten. Er führt „seine“ Auseinandersetzung vor dem zuständigen Landgericht. Und dort hilft seine umfangreiche Dokumentation.

Matthias Bäcker

veröffentlicht in “Joule”, Ausgabe 06/2012

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Juni 2018 – Wie hat sich die Friedhofs- und Bestattungskultur im Laufe der Jahrzehnte gewandelt? Was beeinflusst diesen Wandel und wie wird sich unsere Gesellschaft mit dem Thema Tod und Sterben in der Zukunft auseinandersetzen?

Diesen und weiteren wichtigen Fragen zum Thema gehen wir in der Studie „Wandel der Bestattungskultur“ nach. In der von uns durchgeführten Studie beleuchten wir die Entwicklung der Bestattungskultur in den letzten 100 Jahren, untersuchen die Gründe und Auswirkungen des Wandels sowie die verschiedenen Trends, die derzeit die Entwicklung bestimmen. Abschließend wagen wir einen Ausblick in die Zukunft der Bestattungskultur und die Möglichkeiten, die diese mit sich bringt.

Gerne stellen wir Ihnen unsere Studie zur Verfügung! Schreiben Sie uns gerne per Mail an studie@mammutconsulting.de oder rufen Sie uns an, um Ihr persönliches Exemplar der Studie zu erhalten!

Spagat zwischen Beihilferecht, Abgabenkalkulation und Budgetüberwachung

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innovative Verwaltung 06/2014 – Das Rechnungswesen in Tourismus-Organisationen der öffentlichen Hand unterliegt komplexen Vorgaben. Dazu gehören verschiedene betriebswirtschaftliche Instrumente und entsprechende Systeme für die Buchhaltung und das Rechnungswesen. Die Einrichtung geeigneter Systeme erfordert fachliches Know-how und Erfahrung, damit im laufenden Betrieb ohne großen Zusatzaufwand und mit möglichst wenig Handarbeit alle erforderlichen Auswertungen erstellt werden können.

Trennungsrechnung nach Beihilferecht, umsatzsteuerliche Abgrenzung, Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe, interne und externe Budgetüberwachung, Kostencontrolling, beihilferechtliche Vergleichsrechnung – das Rechnungswesen in Tourismus-Organisationen muss viele komplexe Aufgaben im Bereich des Finanzmanagements lösen. Das ist nur mit entsprechend ausgearbeiteten Kostenstellen- und Kostenträgerstrukturen, Betriebsabrechnungsbögen, verschiedenen Auswertungsebenen und Auswertungsdimensionen und dafür eingerichteten Buchhaltungs- und Rechnungswesensystemen möglich. Die Einrichtung geeigneter Systeme erfordert fachliches Know-how und Erfahrung, damit im laufenden Betrieb ohne großen Zusatzaufwand und mit möglichst wenig Handarbeit alle erforderlichen Auswertungen erstellt werden können.

Tourismus-Organisationen in öffentlicher, meist kommunaler Trägerschaft erfüllen vielfältige Aufgaben: Gästebetreuung, Zimmervermittlung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, touristisches Marketing, Produktion und Verteilung oder Verkauf von Informationsschriften, Karten und Merchandising-Artikeln zählen in der Regel dazu, oft auch Unterhaltung und Betrieb touristischer Infrastruktur. In der überwiegenden Zahl der Fälle sind die Tourismus-Organisationen Zuschussbetriebe, deren Mittelbedarf zu wesentlichen Teilen aus den kommunalen Haushalten bestritten wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Tourismusbetrieb als Teil der Verwaltung (Amt oder Fachdienst), als Regie- oder Eigenbetrieb oder als eigenständige juristische Person (GmbH oder AöR) geführt wird.

An das Rechnungswesen von Tourismus-Organisationen werden deshalb vielfältige Anforderungen gestellt: Neben der rein wirtschaftlichen Steuerung der Organisation und der Überwachung der Budgeteinhaltung sind beihilferechtliche Anforderungen zu erfüllen und Abgrenzungen für umsatzsteuerliche und abgabenrechtliche Zwecke abzubilden.

Kostenstellenrechnung als Grundlage

Die Vielfalt der Aufgaben und die teilweise erheblichen Budgets erfordern ein Kostencontrolling, mit dem eine differenzierte Steuerung der einzelnen Teilbereiche und -aufgaben und eine gezielte und sehr zeitnahe Budgetüberwachung möglich sind. So sollte beispielsweise jederzeit transparent sein, welche Kosten für überregionales Marketing anfallen, welche Kosten der Betrieb einer Tourist- Information verursacht und wie der aktuelle Kostenstand für Veranstaltungen ist.

Während anfallende Sachkosten (z. B. Druckkosten für Gastgeberverzeichnisse oder Prospekte, Kosten des Schalterpersonals der Tourist-Information) leicht zu erfassen und zuzuordnen sind und das auch mit einer gut eingerichteten Finanzbuchhaltung noch trennscharf abgebildet werden kann, sind indirekt oder global anfallende Kosten (z. B. EDV-Kosten oder das Gehalt des Geschäftsführers) auf diese Weise nicht mehr sinnvoll zuzuordnen. Vor allem aber lässt die Finanzbuchhaltung keine Auswertung nach bestimmten Bereichen, etwa dem Veranstaltungsmanagement oder der Infrastrukturbewirtschaftung, zu, denn die Finanzbuchhaltung ist strikt nach Kostenarten gegliedert (Personal, Raumkosten etc.). Für eine verursachungsgerechte Zuordnung der Kosten ist daher eine Kostenstellenrechnung unumgänglich. Sie ermöglicht es, zum Beispiel dem Bereich „Unterhaltung der touristischen Infrastruktur“ anteilig Kosten der EDV, des Geschäftsführers, allgemeine Bürokosten etc. zuzuordnen.

Die Kostenstellenrechnung ist in der Regel mehrstufig aufgebaut und mündet im Betriebsabrechnungsbogen (BAB). Zunächst werden Kostenstellen definiert. Das sind in der Regel organisatorische Einheiten wie die Tourist-Information, das Marketing, das Veranstaltungsmanagement oder die Geschäftsführung. In der ersten Stufe werden alle Kosten den Kostenstellen direkt zugeordnet, d. h., dass etwa alle Kosten, die für Veranstaltungen anfallen, auf die Kostenstelle Veranstaltungsmanagement gebucht werden, und alle Kosten, die mit der Geschäftsführung in Zusammenhang stehen, auf die Kostenstelle Geschäftsführung – unabhängig davon, welcher Kostenart diese zuzurechnen sind. Kostenpositionen, die mehreren Kostenstellen zuzuordnen sind, werden nach sinnvollen Verteilungsschlüsseln auf verschiedene Kostenstellen aufgeteilt. So können Mieten nach den genutzten Flächenanteilen aufgeteilt werden, Personalkosten nach dem anteiligen Arbeitszeitaufwand usw. Die Zuordnung auf Kostenstellen erfolgt bei der Verbuchung eines Belegs in der Finanzbuchhaltung; in den meisten Buchhaltungssystemen kann neben den Konten der Finanzbuchhaltung ergänzend die Kostenstelle gebucht werden, so dass kaum zusätzlicher Arbeitsaufwand entsteht.

In der zweiten Stufe werden dann die Summen der sogenannten Nebenkostenstellen – wie Geschäftsführung, Verwaltung und EDV – auf die Hauptkostenstellen umverteilt (das sind in der Regel die „Produktbereiche“ oder „Leistungsbereiche“, z. B. Tourist-Information, Marketing, Infrastruktur), so dass alle Leistungsbereiche anteilig mit den Kosten belastet werden, die in den Hilfskostenstellen anfallen. Die Umverteilung erfolgt nach definierten Verteilungsschlüsseln, etwa der Anzahl EDV-Arbeitsplätze, die einer Hauptkostenstelle zugeordnet sind. Die Verteilungsmaßstäbe werden individuell erarbeitet. Als Ergebnis werden in den Hauptkostenstellen dann die tatsächlich und verursachungsgerecht ermittelten Gesamtkosten des jeweiligen Leistungsbereichs abgebildet, es wird erkennbar, welche Kosten für welche Leistung insgesamt aufgewendet werden.

Da die Planung ergänzend zur herkömmlichen Planung nach Kostenarten in gleicher Weise zusätzlich nach Leistungs- oder Verantwortungsbereichen (Kostenstellen) aufgebaut wird, können Ist- und Plan-Kosten abgeglichen werden.

Einhergehen sollte mit dieser transparenten Zuordnung auch eine klare Verantwortlichkeitsregelung für die Kostenentwicklung. D.h., dass der für den Leistungsbereich Verantwortliche (Kostenstellenverantwortliche) auch für die Gesamtkosten auf der Kostenstelle verantwortlich ist. Auf diese Weise fallen Leistungs- und Budgetverantwortung zusammen.

Kostenträgerrechnung für die Zuordnung von Kosten

Wie der Name schon vermuten lässt, geht es in der Kostenträgerrechnung darum, wer (welches Projekt, welcher „Topf“) die Kosten trägt, während es in der Kostenstellenrechnung darum geht, Kosten organisations- und verursachungsgerecht zuzuordnen.

In der Kostenträgerrechnung können Kosten zu Maßnahmen, Projekten und Vorhaben zugeordnet werden. Für Tourismus-Organisationen ist das beispielsweise interessant für die Steuerung größerer Maßnahmen, für die Abrechnung von Förderprojekten oder für die Zuordnung von Kosten zu bestimmten Finanzierungsmitteln. Die Kostenträgerrechnung kann auch eingesetzt werden für die Zuordnung von Kosten, die bei der Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe zu berücksichtigen sind. Auf der Grundlage der Kostenstellenrechnung ist die Ermittlung anfallender oder zuzurechnender Kosten für einzelne Projekte, Fördermittel etc. sehr einfach möglich.

Die Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Kostenträgerrechnung und der Verbindung zur Kostenstellenrechnung sind vielfältig. Es hängt sowohl von der Leistungsfähigkeit der eingesetzten Rechnungswesen-Software wie auch vom Umfang der erforderlichen Auswertungen ab, ob und in welchem Umfang eine Kostenträgerrechnung aufgebaut werden soll oder ob Nebenrechnungen mit Tabellenkalkulationsprogrammen als ausreichend angesehen werden.

Notwendige Abgrenzung nach Beihilferecht

Leistungen, die von Tourismus-Organisationen erbracht werden, werden in der Regel als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI), als dem allgemeinen Wohl dienend, eingestuft. Daraus wird die Legitimation abgeleitet, diese Leistungen aus öffentlichen Haushalten zu finanzieren. Tourismus-Organisationen erbringen aber regelmäßig auch andere Leistungen, die nicht als DAWI-Leistungen einzustufen sind und mit denen sie im Wettbewerb zu Unternehmen stehen, die keine öffentlichen Mittel erhalten können, z. B. indem sie Zimmer vermitteln, Merchandising-Artikel verkaufen oder Ähnliches.

Ob Leistungen als DAWI-Leistungen einzustufen sind und ob es sich bei Zuschüssen öffentlicher Haushalte an Tourismus-Organisationen um Beihilfen handelt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann hier nicht weiter betrachtet werden. Grundsätzlich sind jedoch zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Die Tourismus-Organisation erfüllt die sogenannten Altmark-Trans-Kriterien (siehe Info-Kasten Seite 33 im PDF des Artikels), damit liegt keine Beihilfe vor.
  • Es liegt zwar eine Beihilfe vor, die jedoch genehmigungsfrei ist (von der Notifizierungspflicht freigestellt).

Die Regelungen zu den Beihilfefragen sind unabhängig davon, in welcher rechtlichen Form die Tourismus-Organisation geführt wird – sie gelten auch für unselbständige Teilbetriebe.

Immer jedoch, wenn Tourismus-Organisationen aus öffentlichen Haushalten (mit)finanziert werden, ist es aufgrund des EU-Beihilferechts zwingend erforderlich, den Nachweis zu führen, dass die öffentlichen Mittel ausschließlich für Zwecke der DAWI-Leistungen eingesetzt werden und dass damit nicht die anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten quersubventioniert werden. Verstöße gegen das Quersubventionsverbot führen dazu, dass die Mittel zurückgezahlt werden müssen.

Zum Nachweis, dass keine Quersubvention erfolgt, sind die Kosten, die für DAWI-Leistungen entstehen, von den Kosten, die für alle anderen wirtschaftlichen Leistungen entstehen, zu trennen. Das ist sehr leicht realisierbar beispielsweise beim Materialeinkauf für Merchandising-Artikel, jedoch bereitet die saubere Trennung der Kosten für viele andere anfallende Kosten erhebliche Probleme. Wie viel Prozent der Fläche der Tourist-Information dienen den sonstigen Leistungen? Welcher Anteil der Personalkosten, der EDV-Kosten, der allgemeinen Verwaltungskosten usw. entfällt auf die sonstigen Leistungen? Eine Aufteilung etwa nach Umsatzerlösen scheidet aus, da aus den DAWI-Leistungen regelmäßig kaum Erträge erzielt werden.

Eine nachvollziehbare, plausible Aufteilung ist ohne Kostenstellenrech- nung kaum möglich, denn sie bildet die Grundlage der sogenannten Trennungs- rechnung, weil mit der Kostenstellen- rechnung die Kosten den einzelnen Leis- tungsbereichen trennscharf zugeordnet werden. Im Einzelfall sind zur Aufteilung von Kostenpositionen zwischen DAWI- Leistungen und sonstigen Leistungen zusätzliche Erhebungen durchzuführen, um zutreffende Aufteilungen zu ermöglichen. Beispielsweise kann es notwendig sein, den anteiligen Zeitaufwand für den Verkauf sonstiger Leistungen an der gesamten Arbeitszeit des Thekenpersonals einer Tourist-Information zumindest für eine gewisse Zeit zu erheben.

Bei geschickter Gestaltung des Kostenstellensystems wird die Trennungsrechnung mitgeführt und die Überwachung der Einhaltung der beihilferechtlichen Vorgaben ist ohne nennenswerten Zusatzaufwand sichergestellt.

Kriterien aus dem Altmark-Trans-Urteil

Werden die Altmark-Trans-Kriterien für die Zahlungen aus öffentlichen Mitteln erfüllt, ist nachzuweisen, dass die auf die DAWI-Leistungen entfallenden Kosten angemessen sind. Bei Tourismus-Organisationen ist es in der Regel nicht möglich, die Leistungen – als Ganzes – auszuschreiben und zu vergeben, daher ist eine Vergleichsrechnung erforderlich, mit der nachgewiesen wird, dass die Kosten, die in der Tourismus-Organisation anfallen und durch die öffentlichen Mittel ausgeglichen werden, nicht höher sind als die Kosten, die bei einem durchschnittlichen, gut geführten, angemessen mit Sachmitteln ausgestatteten Unternehmen einschließlich einer angemessenen Rendite abzüglich der dabei erzielten Erlöse anfallen würden.

Grundlage auch dieser Vergleichsrechnung ist die Kostenstellenrechnung in der Form der Trennungsrechnung; ohne Kostenstellenrechnung ist die Vergleichsrechnung kaum sinnvoll möglich.

Werden die Altmark-Trans-Kriterien nicht erfüllt, liegt eine Beihilfe vor, die für Tourismus-Organisationen genehmigungsfrei gestaltet werden kann. In diesem Fall ist keine Vergleichsrechnung erforderlich, da für Beihilfen gilt, dass Ausgleichszahlungen die anfallenden Kosten ohne Begrenzung auf einen durch eine Vergleichsrechnung ermittelten Kostenhöchstbetrag decken dürfen. Für die Beihilfe gelten jedoch eine Reihe weiterer Kriterien, die im Einzelfall zu beachten sind.

Zuschüsse unterliegen der Umsatzsteuer?

Eine weitere Abgrenzung muss das Rechnungswesen leisten: die Aufteilung in umsatzsteuerpflichtige und nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäfte. Das gewinnt dann Bedeutung, wenn die Tourismus-Organisation nicht Teil der kommunalen Verwaltung ist. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde in den letzten Jahren deutlich verschärft, und die Finanzämter greifen die Fälle öffentlicher Unternehmen, die dauerhaft aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden, intensiv auf. Sie fordern Umsatzsteuer auf die Zuwendungen, die die Kommunen an die Tourismus-Organisationen zahlen, und verweigern zudem die Vorsteuerabzugsberechtigung zumindest teilweise. Bei geschickter Gestaltung ist es jedoch möglich, dass Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten an Tourismus-Organisationen nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Ein Teil der von der Tourismus-Organisation erbrachten Leistungen ist jedoch umsatzsteuerpflichtig. Umsatzsteuer, die auf Kosten entfällt, die diesen Geschäften zuzurechnen sind, ist als Vorsteuer abzugsfähig.

Die Zuordnung der Kosten, die zu abzugsfähiger Vorsteuer führen, kann daher eine weitere Abgrenzungsebene darstellen, die im Rechnungswesen abzubilden ist. Auch dabei leistet eine leistungsfähige Kostenrechnung erhebliche Dienste, da nur damit eine Zuordnung der Kosten zu einzelnen Leistungen möglich wird. Grundsätzlich ist die Einzelzuordnung von Kosten zu Erlöspositionen bei einer umsatzsteuerlichen Aufteilung zu bevorzugen; nur wenn diese nicht möglich ist, ist ausnahmsweise eine quotale Verteilung zulässig, die jedoch in der Regel für die Tourismus-Organisation nachteilig ist.

Unterstützung durch die Finanzsoftware

Tourismus-Organisationen müssen vielfältige Anforderungen in ihrem Zahlenwerk erfüllen. Neben der betriebswirtschaftlich und organisatorisch gebotenen Steuerung des Unternehmens anhand der tatsächlich in jedem Leistungsbereich entstehenden Kosten sind für die Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe, für beihilferechtliche Zwecke und für umsatzsteuerliche Optimierungen umfangreiche Abgrenzungsrechnungen und Nachweise zu führen.

Auf der Grundlage einer ausgereiften Kostenstellenrechnung und mit einer individuell auf die Besonderheiten der jeweiligen Organisation angepassten Struktur lassen sich alle diese Anforderungen mit nur sehr geringem zusätzlichem Arbeitsaufwand erfüllen; häufig ist das auch mit den vorhandenen EDV-Systemen möglich, da diese bereits über Kostenrechnungsmodule verfügen. Die konzeptionelle Ausarbeitung eines modernen Kostenrechnungs-Systems erfordert jedoch vielfältige Kenntnisse und Erfahrungen, so dass es häufig empfehlenswert ist, dafür externe fachliche Hilfe hinzuzuziehen.

Matthias Bäcker

veröffentlicht in innovative Verwaltung, Ausgabe 06/2014

GIESSEREI-PRAXIS 06/2014 – Umwälzende Veränderungen führen zum Verschwinden von Spezies, die sich nicht anpassen, während neue angepasste Spezies das Feld übernehmen. Das ist die Kernaussage von Darwins Evolutionstheorie. Im übertragenen Sinne gilt das auch für Unternehmen im täglichen Wettbewerbskampf. Doch obwohl dies heute allgemein bekannt ist, verpassen viele Unternehmen ihre Anpassung an die demographische Entwicklung und den zunehmenden Fachkräftemangel – und schwächen so ihre Überlebensfähigkeit.

Fünf Jahre reiste Charles Darwin mit der HMS Beagle um die Welt. Seine hierbei gesammelten Erkenntnisse mündeten schließlich in seiner zwar seit den alten Griechen immer wieder vermuteten, aber bis dahin nicht nachweisbaren Evolutionstheorie. 1859 veröffentlichte Darwin sein Buch „The Origin of Species”, zu Deutsch: “Über die Entstehung der Arten”. Hier beschrieb er das Prinzip der Anpassung durch Variation und natürliche Selektion.

Während Darwin seine Gegenwart betrachtete und von dort aus weit in die Vergangenheit zurückging, geht es hier um Gegenwart und Zukunft – und weniger um vergangene Spezies, als das Überleben von Unternehmen im sich weiter verändernden wirtschaftlichen Umfeld. Die aktuellen Dimensionen von Veränderung und Anpassung sind Fachkräftemangel und demographische Entwicklung. Im Gegensatz zu den beschränkten Fähigkeiten vergangener Spezies haben die Wirtschaftsunternehmen eindeutige Vorteile, ihr Überleben selber zu sichern; denn Unternehmen sind letztendlich nicht nur (hoffentlich) funktionierende Systeme, sondern sie sind denk-, lern- und damit anpassungsfähig.

Sie haben ein Zentralorgan (meist als Inhaber, Unternehmer, Führung, Geschäftsführung, Geschäftsleitung oder ähnlich bezeichnet), und in modernen Systemen selbstdenkende Knoten- und Endpunkte (Führungskräfte und Mitarbeiter). Mit dieser Vielfachintelligenz ausgestattet und unter Zuhilfenahme hoch entwickelter Verfahren und Methoden (z.B. einer betriebswirtschaftlichen Unternehmensplanung) ist es möglich, Prognosen über die eigene Unternehmensentwicklung aufzustellen, diese in eine Gesamtstrategie einzubinden und daraus Maßnahmen abzuleiten und diese umzusetzen. Dies sind Voraussetzungen, die die ausgestorbenen Spezies so nicht hatten. Und Unternehmen müssen zudem nicht quasi passiv auf die nächste Mutationsgeneration warten, sondern können sich selber aktiv anpassen und so ihr Überleben sichern – als Beispiel für dieses erfolgreiche Prinzip sei hier die Wandlung und Wiederauferstehung der bereits zur Zerschlagung bestimmten IBM in den 1990 er Jahren genannt.

Abbildung 1: Entwicklung der Strategie

Das Erwerbspersonenpotenzial wird bis 2025 in Deutschland um 6,3 Millionen Menschen abnehmen, die Nachfrage an gut ausgebildeten Mitarbeitern wächst dagegen noch („war of talents“), während gleichzeitig (um die Lage noch prekärer zu machen) das Durchschnittsalter der Beschäftigten (2005: 43 Jahre) bis 2030 auf 51 Jahre ansteigen wird.

Viele der großen Unternehmen und zahlreiche Mittelständler (durchaus auch kleinere) haben sich auf diesen Paradigmenwechsel eingestellt oder sind dabei. Noch mehr, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, jedoch unternehmen nichts, um dieser vielleicht größten Herausforderung für Unternehmen zu begegnen! Der Arbeitskräftemarkt verwandelt sich. Verwöhnte die Unternehmen jahrelang ein Angebotsmarkt, so steht heute ein Nachfragemarkt ante portas – nein, in einigen Branchen ist er bereits durch das Tor geschritten! Aus der Vergangenheit kennen wir solche Zeiten eines Nachfragemarktes (die altersmäßig Fortgeschrittenen mögen sich zum Teil noch daran erinnern), als es kaum möglich war, einen guten Gesellen im Handwerk zu finden. Bei der Arbeitsmarktentwicklung sind darüber hinaus die sich ändernden Werte der „Generation Y“ nicht zu vergessen. Glauben wir den Meinungs- und Werteforschern, so steht hier ein weiterer Paradigmenwechsel bevor. Nicht mehr Karriere und monetäre Entlohnung leuchten wegweisend als Bezugspunkte am Berufshimmel, sondern die sogenannten weichen Faktoren wie „work-life-Balance“, Vereinbarkeit von Familie und Beruf usw. stehen für beide Geschlechter hoch im Kurs.

Wirtschaftsverbände, Politik und die Europäische Union mit ihren Fördertöpfen haben das Arbeitsmarktproblem längst erkannt. Und sie unterstützen deshalb insbesondere die kleineren und mittleren Unternehmen mit vielfältigen Aktionen und unterschiedlichen Förderprogrammen. Besonders hervorzuheben ist das Förderprogramm „unternehmensWert: Mensch“. Kleinere und mittlere Unternehmen (max. 249 Beschäftigte, keine Konzerngesellschaften) erhalten hier für die Entwicklung von Strategien, Konzepten und konkreten Maßnahmen in den vier Handlungsfeldern Personal, Gesundheit, Wissensmanagement und Diversity Zuschüsse von bis zu 80% der Kosten (max. 12.000 EUR).

 

Abbildung 2: unternehmensWert Mensch – vier zentrale Handlungsfelder

Warum zögern?

Trotz der Überlebensnotwendigkeit zu Handeln, trotz unbestrittener Veränderungen des Arbeitskräftepotenzials und trotz signifikanter Förderung zögern viele Unternehmen, sich aktiv der Herausforderung zu stellen. Warum?

Viele KMU-Führungen scheinen zu sehr mit dem Tagesgeschäft beschäftigt zu sein und dabei die zentralen Aufgaben des Top-Managements (ob nun zwei oder 2.000 Mitarbeiter) zu wenig wahrzunehmen. Dietrich Dörner beschreibt in seinem Buch „Die Logik des Mißlingens. Strategisches Denken in komplexen Situationen“ anhand von Wirtschafts- und Entwicklungssimulationsübungen, wie sich die Unterlassung von rechtzeitigen und anfangs noch überschaubaren Maßnahmen einige (Spiel-)Perioden später verheerend auswirken kann.

Wie will das „kleine“ Ingenieurbüro in strukturschwacher Region seinen Fachkräftebedarf sicherstellen? Wie der Gewerbebetrieb in unattraktiver Randlage einen guten Konstrukteur finden? Selbst größere Mittelständler außerhalb der Metropolregionen schaffen es nicht ausreichend, qualifizierte Mitarbeiter- und Führungspositionen vor Ort zu besetzen. Unternehmen wie BMW, SAP und andere haben eine eigene Attraktivität und im Zweifel die finanziellen Ressourcen, um die gesuchten Mitarbeiter zu finden und auch zu binden. Auch kleinere und mittlere Unternehmen können diese Attraktivität aufbauen – lokal/regional kann durchaus genügen und erfolgreich sein. Dieses geht jedoch nicht über Nacht. Strategie, planvolles, zielgerichtetes und langfristiges Handeln sind hier gefragt – der Unternehmer/das Top-Management ist gefordert.

Innere Antreiber von Führungskräften wie „ich bin stark“ sind wichtig für das eigene Durchhaltevermögen und um akzeptiert zu werden. Sie ermöglichen erst manche Firmengründung und das Durchstehen manch schwieriger Aufgabe. Andererseits kann dieser Antreiber dazu verleiten, die eigenen Kräfte zu überschätzen und nicht als vermeintlich schwach erscheinen zu wollen. Das Hinzuziehen von Experten ist selten ein Eingeständnis von Schwäche, sondern vielmehr die zielgerichtete Nutzung von zusätzlichen Ressourcen. Viele Führungskräfte übersehen, dass erst das Erkennen und managen der eigenen Begrenztheit von „Stärke“, von Wissen und Fähigkeiten die eigentliche Stärke ist – und scheitern genau deshalb mit ihrer Anpassung an die veränderten Märkte.

Handlungsfeld Wissensmanagement

Es gibt Firmenbeispiele, bei denen bis über 10% der Belegschaft innerhalb kurzer Zeit in den Ruhestand gewechselt sind. Hier stellt sich nicht nur die Frage nach Neubesetzung der Stellen und Prozessneugestaltung. Hier stellt sich massiv die Frage nach Wissensmanagement. Woher bekommen die Neuen (sofern es sie gibt) das erforderliche spezifische Fach- und Prozesswissen? Ist das Wissen festgehalten (aktuell und vollständig)? Wo? Wissensmanagement muss sehr frühzeitig organisiert werden und hilft nicht nur bei Neubesetzungen sondern trägt auch zur Prozessoptimierung bei. In Organisationen stellt Wissen häufig ein Stück Macht des Mitarbeiters zur Absicherung seines Arbeitsplatzes da, und wie bringt man diesen Mitarbeiter nun dazu, sich von dieser Macht zu trennen?

Handlungsfeld Diversity und Chancengleichheit

Vielfach ist in Berufen und Betrieben/Betriebsteilen noch eine geschlechterspezifische Dominanz anzutreffen. Hiervon werden die Unternehmen sich trennen müssen. Nicht nur wegen des gesellschaftlichen Wertewandels zur Gleichberechtigung der Menschen, sondern alleine aus dem praktischen Grund überhaupt Mitarbeiter oder Auszubildende zu bekommen. Gleichzeitig werden sich immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund und Ausländer als Arbeitskräfte anbieten. Diese erfolgreich ins Unternehmen zu integrieren ist kein Selbstläufer; einstellen und „alles andere wird sich finden“ funktioniert nicht. Mitunter müssen Menschen, ob nun im Unternehmen oder neu hinzukommend, sich aneinander anpassen, alte Werte revidieren und neue annehmen.

Teamarbeit in alters-, geschlechter- und kulturell gemischten Teams kann außerordentlich erfolgreich sein. Dies stellt jedoch spezielle Anforderungen an die Führung. Das Gegenteil des Erfolges und die negativen betrieblichen Auswirkungen möchte man sich nicht vorstellen.

Handlungsfeld Gesundheitsmanagement

In der Vermeidung arbeitsplatzbezogener physischer Erkrankungen sind Unternehmen geschult. Und wie sieht es mit den psychischen Erkrankungen aus? Der Großteil der vorgenommenen Frühverrentungen erfolgt mittlerweile aufgrund von psychischen Erkrankungen wie Burn-Out und Depressionen. Nach wissenschaftlicher Forschung liegen die Gefahren für einen Herzinfarkt durch Stress oder durch Rauchen inzwischen gleichauf bei rund 33% bis 36%. Rein betriebswirtschaftlich gesehen ist daher die immer wertvoller und knapper werdende Ressource Mensch so effektiv wie möglich und ressourcenoptimal (das heißt auch menschlich verträglich) einzusetzen. Die Ressource Mensch darf nicht dauerhaft überlastet und kurzfristig verbraucht werden (natürlich gibt es auch viele moralische Gründe dafür!).

Handlungsfeld Personalführung, Personalstrategie

Keines der oben genannten Handlungsfelder wirkt nur für sich alleine und Führung ist das zentrale Thema, die verbindende Klammer. Führung entscheidet nicht nur über einzelne Maßnahmen, sondern ganz wesentlich über Kultur, Arbeitsklima, Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen und viele andere Dinge. Führung beeinflusst das Zusammenarbeiten der Mitarbeiter (Diversity), die Gesundheit der Mitarbeiter (Burn-Out, Stress, …) und die Sicherstellung eines funktionierenden Wissensmanagements (Mitarbeiter sind zur Wissensweitergabe bereit).

Führung ist lernbar, zumindest soweit, wie es auch möglich ist, einen Handwerksberuf zu lernen – das kann zwar nicht jeder, aber die Grundfertigkeiten können viele erlenen. In offenen Veranstaltungen, Seminaren und Unternehmensentwicklungsprozessen wiederholt sich der Einwand „Ich kann mich (als Chef) doch nicht ändern, ich bin so, wie ich bin“ oder „Mein Chef ändert sich nicht“ oder „Wie bekommen wir unsere(n) Chef/Chefin dazu, dass er/sie seinen/ihren Führungsstil ändert?“. Alle diese Einwände sind berechtigt, und doch können Menschen sich ändern. Nicht vollständig, dass ist aber auch nicht gewollt. Und nicht unbedingt von heute auf morgen, manches wächst erst langsam, bevor es von anderen wahrgenommen wird. Voraussetzung ist, dass der Mensch sein Verhalten verändern will. Das Ziel und dass wofür/warum müssen klar sein. Coaching und Training wirken hierbei zielorientiert als professionelle Unterstützung.

Was ist zu tun?

Strategien, Konzepte und Maßnahmen zur Überlebenssicherung des Unternehmens sind zu entwickeln und umzusetzen. In welchen der vier Handlungsfelder Schwerpunkte gesetzt werden, ist in jedem Unternehmen unterschiedlich. So wie auch für jedes Unternehmen verschiedene Maßnahmen geeignet und nötig sind. Die finanzielle Bezuschussung (bis zu 80%) über das Förderprogramm „unternehmensWert: Mensch“ mag ein weiterer willkommener Anreiz sein.

Zurück zu Darwin

Um nun wieder zu Charls Darwin zurückzukehren: In der Nachschau wird sich zeigen, welche Spezies/welches Unternehmen anpassungsfähig war und damit überlebt hat. Nur den verschwundenen Unternehmen wird das dann nichts mehr helfen.

Aufgaben des Top-Managements:

  • Definition von Unternehmenszweck und Unternehmensauftrag (Mission, Vision)
  • Entwicklung der Strategie
  • Setzen von Werten, Standards und Maßstäben
  • Aufbau und Entwicklung der Struktur des Unternehmens
  • Aufbau und Erhaltung der Human Ressourcen
  • Aufbau und Pflege der Schlüsselbeziehungen des Unternehmens
  • Wahrnehmung der Repräsentation des Unternehmens
  • Bereitschaft zum umgehenden Einsatz bei Chancen und Risiken

Claus-Dieter Piontke

veröffentlicht in GIESSEREI-PRAXIS, Ausgabe 6/2014

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der Gemeinderat 05/2014 – Führung muss wirksam und zielgeleitet sein, erst dann schöpft sie das Leistungspotenzial voll aus und führt Erfolge herbei. Auch wenn für Führung vordergründig nicht bezahlt wird: ohne Führung ist alles nichts.1

Die Großen der Geschichte haben uns gezeigt, wozu erfolgreiche Führung fähig ist. Leider ist aufgrund unterschiedlichster Führungsansätze und Rahmenbedingungen keine einheitliche Erkenntnis entstanden, wie der „große“ Führer beschaffen sein muss. Während Friedrich der Große als Vorbild seine Mannschaften aus der ersten Reihe motivierte, anspornte und führte, führte Napoleon vom Feldherrenhügel, wo er die Übersicht über das Ganze für seine strategischen Schachzüge nutzte.

Im betrieblichen Alltag haben wir es i. d. R. mit Durchschnittsmenschen (und dazu gehören fast alle von uns) zu tun. Somit müssen „durchschnittliche“ Führungskräfte und nicht „Große Führer“ ihre Mitarbeiter zum Erfolg führen. Führung kann man erlernen. Führung kann fast jeder erlernen, so wie fast jeder die Grundfertigkeiten eines Handwerks erlernen könnte – auch wenn es selbstverständlich Menschen gibt, denen Führungsrollen leichter fallen als andere, weil ihnen eine natürliche Begabung als Führungspersönlichkeit gegeben ist.

Führung ist dann erfolgreich, wenn die gesetzten Ziele erreicht werden und zukünftige Erfolge aufgrund der Führungsarbeit wahrscheinlich sind. Erfolgreiche Führung entsteht dabei aus dem Zusammenspiel von Führern und Geführten. Aufgabe moderner Führung ist, den Rahmen zu setzen, indem die Geführten (die Mitarbeiter) Höchstleistung erbringen können.

Führungskräfte brauchen die Befähigung, auf der einen Seite Teams zu organisieren und zu entwickeln, auf der anderen Seite die „Einzelkämpfer“ zielorientiert gewähren zu lassen. Mal ist es notwendig, für eine Arbeitsaufgabe genaue Anweisungen zu geben und gewissenhafte Kontrolle auszuüben, mal muss die Führungskraft erkennen, dass der Mitarbeiter weitgehend selbständig arbeiten kann und diese Selbständigkeit auch verlangt. Es geht um die Fähigkeit, den Führungsstil auf die Situation bezogen anzupassen, von autoritär über kooperativ und partizipativ bis laissez-faire.

Führen bedeutet, Handlungen vorzunehmen. Wer handelt (also Ziele verfolgt und dazu Strategien umsetzt), ist interessengeleitet. Führung kann dabei nicht immer widerspruchslos bleiben. Führungsdilemmata entstehen durch die gegensätzlichen Wirkungen von Handlungen und sind durchaus nicht immer vorhersehbar.

Ein Beispiel für ein typisches Dilemma ist, dass der Vorgesetzte einerseits seinen Mitarbeitern vertrauen soll, andererseits aber seine Kontrollfunktion ausüben muss und dazu alles wissen will. Führungsdilemmata sind systemimmanent, das heißt grundsätzlich nicht lösbar.

Zu führen nach dem Grundsatz „nicht gescholten ist schon genug gelobt“, reicht bei weitem nicht aus. Das Lob für eine Arbeitsanstrengung wirkt zudem nachhaltiger als das Lob für eine Aufgabenerfüllung.

Ein Beispiel für das Ergebnis schlechter Führung und schlechter Rahmenbedingungen ist die überlieferte Meuterei auf der Bounty. Auch wenn heutzutage Meutereien eher selten sind, so bleiben die Folgen schlechter Führung mit zum Teil gravierenden negativen Auswirkungen für Betriebe und Organisationen bestehen. Die seit 2001 in Deutschland jährlich durchgeführte renommierte Gallup-Studie (s. unter www.gallup.com)2 geht davon aus, dass rund 17% aller Beschäftigten keine emotionale Bindung mehr an ihren Arbeitgeber zeigen und die innere Kündigung vollzogen haben. Die identifizierte Ursache dafür: schlechte Führung.

Die Folgen sind höhere Personalfluktuation mit der Konsequenz von Wissensverlust für die Organisation, hohe Kosten im Zusammenhang mit der ständigen Einarbeitung neuer Mitarbeiter, vermehrte Fehltage, geringere Produktivität, geringere Kreativität und fehlende Innovationskraft. Laut Schätzung des Beratungsunternehmens Gallup entsteht durch schlecht motivierte Mitarbeiter ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund 98 bis 118 Milliarden Euro pro Jahr.

Fehlende Führung eröffnet Raum für Streitereien, unkonstruktiven Wettbewerb und fehlgeleitete Energie („das Ziel fehlt“). Konflikte können sich zu Flächenbränden entwickeln und über Abteilungsgrenzen hinwegfegen. Nicht ausgedrückte Wertschätzung, fehlende Toleranz und Akzeptanz nagen am Selbstwertgefühl von Menschen. Auf der Strecke bleibt der Arbeitserfolg, zurück bleiben demotivierte und frustrierte Mitarbeiter und immer mehr auch psychisch erkrankte Beschäftigte.

Durch gute Führung kann das vermieden werden. Sie schafft Erfolge, statt Leistungen zu hemmen und Menschen krank zu machen. Gute Führungskräfte sind dabei selbstreflexiv. Sie können über Feedback, alleine und mit Unterstützung lernen und sich weiterentwickeln.

Mammut Consulting steht Ihnen für Führung und Organisationsentwicklung, für Strategie, Steuerung und Abläufe zur Verfügung. Wir lösen die schwierigen Unternehmensaufgaben. Auch für Verwaltungen.

Claus-Dieter Piontke

veröffentlicht in “der gemeinderat”, Ausgabe 5/2014

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1  Im Folgenden wird für die personenbezogene Bezeichnung, wenn keine neutrale Bezeichnung verwendet wird, in der Regel die männliche Form verwendet. Mit diesen Formulierungen sind jeweils männliche und weibliche Personen gemeint. Es handelt sich um eine Vereinfachung, die ausschließlich zur Verbesserung der Lesbarkeit gewählt wurde. Diskriminierende oder herabsetzende Absichten sind nicht damit verbunden.

2 Gallup Engagement Index 2013 

THIS 04/2014 – Führungsnachfolge zu bewältigen wird oft reduziert auf die Erstellung eines Anforderungsprofiles und die Suche nach dem Nachfolger. Tatsächlich verbirgt sich viel mehr dahinter. Wer hier zu kurz springt, riskiert nicht nur den Erfolg der Nachfolgeregelung – in Unternehmerfamilien stehen daneben persönliche Beziehungen auf dem Spiel.

1. Nachfolge – ein komplexes Thema

Die Nachfolge auf Führungspositionen betrifft jedes Unternehmen, ob klein oder groß, ob vom Inhaber oder vom Fremdmanager geführt, ob Familienunternehmen oder Publikumsgesellschaft. Nachfolgen sind Teil des betrieblichen Geschehens. Je höher die neu zu besetzende Position angesiedelt ist, desto bedeutungsvoller ist es, Nachfolge als komplexes Projekt zu begreifen und danach zu handeln.

Nachfolge ist ein komplexes Projekt, weil eine Vielzahl von Einflüssen einwirken und unterschiedlichste Aspekte beachtet werden müssen. Die Einzelfaktoren und Zusammenhänge sind jedoch oft nebulös, schwammig und unklar.

Noch komplexer wird die Führungsnachfolge, wenn die Positions-Nachfolge mit der Unternehmens-Nachfolge, das heißt dem Übergang von Eigentum, verknüpft ist.

Abbildung 1: Aspekte der Nachfolge

Unternehmensnachfolge bedeutet nicht automatisch, dass Führung und Eigentum gleichzeitig wechseln. Hier ist eine individuelle, auf die Interessen und Notwendigkeiten von Unternehmen, Übergeber und Nachfolger abgestellte Lösung zu erarbeiten.

Abbildung 2: Ablauf der Unternehmensnachfolge

Eine Nachfolgeregelung braucht Zeit. Der Kernprozess der „technischen Nachfolgeregelung“ kann in relativ kurzer Zeit abgewickelt werden – sofern Nachfolger zur Verfügung stehen oder zügig gefunden werden. Dieser Kernprozess ist jedoch eingebunden in Vor- und Nachbereitungsphasen der Willensbildung und der Entscheidungsfindung, ggf. auch der strategischen mittelfristigen Vorbereitung, Phasen des Loslassens des Übergebers und des Ankommens des Nachfolgers.

Die Positions-Nachfolge gliedert sich in die folgenden Projektschritte:

  • Analyse Umfeld und Erwartungen
  • Formulierung der Ziele
  • Erarbeitung Anforderungsprofil
  • Kritische Reflexion – Blick von außen oder die zweite Meinung
  • Erarbeitung Ablauf-, Zeit- und Kommunikationsplan in Abhängigkeit von den Zielen
  • Umsetzung des Plans: Auswahl, Einstellung, Einführung und begleitende Maßnahmen
  • Sicherstellung der Zielerreichung

2. Analyse Umfeld und Erwartungen

Es gibt zahlreiche Interessengruppen (Stakeholder), die an den Stabwechsel und damit an den Nachfolger unterschiedliche Erwartungshaltungen haben. Diese Interessengruppen kommen aus dem Unternehmen oder aus seinem Umfeld. Sie sind direkt betroffen oder fühlen sich als Betroffene. Es sind die einzelnen Menschen und Mitarbeiter und es sind Institutionen und ihre Vertreter.

Die Stakeholderanalyse gibt Aufschluss über die Betroffenen und die sich betroffen fühlenden. Sie hilft, Transparenz zu schaffen und Erwartungen zu klären. Niemandem ist geholfen, wenn der Patriarch seinen Sohn oder seine Tochter wohlwollend als Nachfolger bestimmt, er oder sie aber ganz andere Pläne haben. Vielleicht ist das Interesse der auserkorenen Nachfolger erst noch anderweitige Berufserfahrungen zu sammeln, vielleicht möchten sie vorher noch zusätzliche Kompetenzen erlernen. Vielleicht ist aber auch das Vorbild des Unternehmers mit seiner andauernden Arbeitslast nicht das Lebensmodell, das Sohn oder Tochter sich wünschen.

Vielleicht ist es aber auch anders herum. Sohn oder Tochter sehen sich längst als Nachfolgekandidat und der Unternehmer denkt über Stiftungsgründung oder Fremdmanagement nach. Auch Geschwister des jetzigen Unternehmers könnten sich noch Hoffnung auf die Nachfolge im ehemals elterlichen Unternehmen machen oder Familienstämme sind der Ansicht, jetzt sei ein Nachfolger aus ihren Reihen zu benennen. All dieses wird rechtzeitig nur derjenige erfahren, der die Interessen hinterfragt und dem gegenüber die einzelnen Stakeholder bereit sind, diese Interessen zu offenbaren, denn zu oft werden Positionen aufgebaut und die dahinter stehenden Interessen versteckt.

Je mehr „gewichtige“ Stakeholder es gibt und umso größer die Unternehmerfamilie ist, desto schwieriger wird es, die unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen. Nur wenn die Interessen aller Beteiligten frühzeitig auf den Tisch kommen, besteht die Chance, einen Prozess anzustoßen, an dessen Ende es zu einen Interessenausgleich kommen kann, gerade in Familienunternehmen.

Abbildung 3: Stakeholderübersicht

3. Formulierung der Ziele

„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“ (Lucius Annaeus Seneca, 1 – 65 n. Chr.). Die Gefahr, dass der Hafen nicht benannt und damit das Ziel nicht bekannt ist, ist groß. Ziele werden nicht ausgesprochen oder nicht eindeutig formuliert und bleiben schwammig in ihrer Unverbindlichkeit. Damit sind sie objektiv nicht zu erreichen und es wird irgendwann subjektiv nach der Tagesauslegung die Zielerreichung oder Zielverfehlung festgestellt.

Was ist das Ziel der Nachfolge? Ein weiter so wie bisher? Geht es darum, Aufgaben und Verantwortungen neu zuzuschneiden?  Ist die Erfüllung maßgeblicher Ansprüche von Stakeholdern ein Ziel? Ist Ziel, die Stellung der Unternehmerfamilie zu wahren?

Ob die Zielbestimmung Einzel- oder Gruppenentscheidung ist, ist vom Einzelfall abhängig. In die Zielbestimmung sind dabei die Ergebnisse der Stakeholderanalyse einzubeziehen.

4. Anforderungsprofil

Die sich aus den Zielen und den vielfältigen Erwartungen an den Nachfolger ergebenden Anforderungen sind klar zu definieren und in einem detaillierten Anforderungsprofil zusammenzutragen. Mit diesem konkreten Anforderungsprofil lassen sich die Kompetenzen der Nachfolgekandidaten gegenüber den Anforderungen systematisch abgleichen. Schwierig wird es, wenn bei der Besetzung von Führungsfunktionen die fachliche Kompetenz zu sehr im Vordergrund steht. Der beste Maurer wird Polier, der beste Bauingenieur Projektleiter, der beste Buchhalter wird Leiter des Rechnungswesens und der beste Außendienstmitarbeiter Leiter des Vertriebs.  Natürlich müssen Führungskräfte auch eine gewisse Fachkompetenz besitzen, allerdings müssen sie darin nicht zwingend die Besten sein. Ihre Aufgabe ist es, für ihre qualifizierten Mitarbeiter einen Rahmen zu schaffen, in dem diese zu Höchstform auflaufen. Mit zunehmender Hierarchiestufe verliert die Fachkompetenz gegenüber den Führungskompetenzen an Bedeutung.

Führungskompetenzen:

  • Prozess- und Methodenkompetenz
    Aufgabenbezogene Führungstechniken. Ausrichten aller Handlungen auf das jeweilige Ziel
  • Integrative Kompetenz
    Gestaltung von Vernetzung und Zusammenarbeit. Zusammenwirken der verschiedenen betrieblichen Subsysteme organisieren. Brücken bauen über unterschiedliche Arbeits- und Abteilungsstrukturen
  • Sozialkommunikative Kompetenz
    Mitarbeiter mitnehmen, Teams führen und zielorientiert voranbringen
  • Selbstkompetenz
    Persönlichkeitseigenschaften, emotionale Intelligenz, Arbeitsorganisation, Zeitmanagement

Mit zunehmender Bedeutung der Position für das Unternehmen wird es erforderlich, die Nachfolge in ein Strategie­, Struktur- und Kulturprojekt einzubinden. Daraus abgeleitet sind die Anforderungen an das Top-Management werte-, strategie- und kompetenzbasiert zu definieren.

Pro in Frage kommenden Bewerber sollten mehrere Vorstellungsgespräche geführt werden und mindestens zwei „Beurteiler“ daran teilnehmen. Sozialromantik hat im Auswahlverfahren wenig Platz, Wertschätzung hingegen gehört dazu.

5. Übergeber und Nachfolger

Ihnen gemeinsam ist die Übernahme einer neuen Rolle.

Sofern der Übergeber nach Beendigung seines Dienstvertrages das Unternehmen verlässt, ist seine Wirkung für das Unternehmen beendet. Anders sieht es mitunter aus, wenn es sich um den Unternehmer handelt und es keine festgelegten Absprachen oder Verträge zur Beendigung gibt. Kann er wirklich loslassen? Auf Status und Macht, Gestaltungsmöglichkeit und Einfluss, geregelten Tagesablauf und die „kleinen privaten“ Dienste der Mitarbeiter und des Unternehmens verzichten?

Der Nachfolger will seinen eigenen Weg gehen, die eigenen Ideen umsetzen und beweisen, dass er das Unternehmen oder den Bereich führen kann. Er wird Fehler machen – auch das gehört zum Lernen dazu. Nur: wie groß dürfen diese Fehler sein bevor der übergebende Unternehmer feststellt, dass es ohne ihn wohl offensichtlich doch nicht geht, und er seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit per einseitigem Beschluss verlängert? Selbst Fremdmanager sind vor dieser Entwicklung nicht immer ganz sicher.

Gibt es innerhalb einer Nachfolgeregelung eindeutige Absprachen und Verträge, so ergeben sich viele Probleme erst gar nicht oder diese können im Vorfeld geregelt werden. Szenarien zur gegenseitigen Abstimmung und zur Konfliktbearbeitung können im Vorfeld festgelegt und somit Konflikte mehr auf sachlicher Basis abgehandelt, statt als emotionaler Kreuzzug innerhalb der Familie geführt zu werden.

Abbildung 4: Mechanismen der Nachfolge

„Mechanismen der Nachfolge“ (Abbildung 4) stellt die wechselseitige Übergabe und Übernahme (Abnahme beim Übergeber – Zunahme beim Nachfolger)  von Verantwortung, Kompetenzen und Aufgaben dar.  Am Ende des Prozesses hat der Nachfolger seinen Platz im Unternehmen vollständig eingenommen und der Übergeber hat, zumindest was das Unternehmen betrifft, losgelassen. Der Übergabezeitraum ist individuell, er kann von der taggleichen Übergabe bis zu einem Zeitraum von einem Jahr oder sogar länger dauern.

6. Das System

Der Nachfolger wird anders sein als sein Vorgänger. Er wird anders denken, andere Entscheidungen treffen, ein anders Auftreten und eine andere persönliche Ausstrahlung haben. Und das System mit seinen sozialen Beziehungen, Regeln und Verknüpfungen, das Team und die Mitarbeiter werden dem Nachfolger neue Erwartungen, Hoffnungen, Ängste und Wünsche gegenüberstellen. Was sich der Vorgänger erlauben konnte, kann beim Nachfolger abgelehnt werden. Veränderungswünsche, die vom Vorgänger nicht mehr erwartet wurden, werden nun eingefordert.

Wurde vorher harmonisch und mit hoher Performance zusammengearbeitet, kann es nun aufgrund der Veränderung zu Störungen und Leistungseinbrüchen kommen, ein durchaus normaler Vorgang in der Entwicklung von Systemen/Organisationen und Teams. Entscheidend ist, wie schnell der Zustand der hohen Leistungsfähigkeit wieder zurückgewonnen werden kann! In solchen Situationen entscheiden die Führungskompetenzen, und oft ist es in solchen Situationen hilfreich, externe Unterstützung hinzuzuziehen.

7. Fazit

„Die Wirklichkeit bleibt stets hinter dem Erträumten zurück. Wir leben in einem System der Annäherung“ (Ralph Waldo Emerson). Wie dicht Annäherung und Erträumtes beieinander liegen, entscheidet sich nicht zuletzt über die Professionalität auf dem Weg zum klar benannten Ziel.

Professionalität und Objektivität sind im gesamten Prozess erfolgsbegründend. So wie der Bergwanderer im unbekannten Aufstiegen vom Bergführer zum Ziel gebracht wird, so kann auch im Unternehmensalltag mit Experten ein höheres Ziel erreicht werden. Externe Experten haben den Vorteil von Neutralität und Objektivität, von Erfahrung aus vergleichbaren Situationen und können sachlich bleiben, wenn Beteiligte emotional agieren. Dieses ist nicht zu unterschätzen, wenn es um die Strategie zur Nachfolge, die Moderation innerhalb der Unternehmerfamilie, um die Beurteilung von Nachfolgekandidaten oder das Coaching von Übergeber und Nachfolger geht.

Die Experten von Mammut Consulting stehen Ihnen zur aktiven Unterstützung der Nachfolge und bei den schwierigen Aufgaben der Unternehmensführung gerne zur Verfügung – als Berater, als Sparringspartner, als kritischer Begleiter oder als Coach.

Claus-Dieter Piontke

 

veröffentlicht in “THIS – Fachmagazin für erfolgreiches Bauen”, Ausgabe 04/2014

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Den „richtigen“ Nachfolger oder die richtige Nachfolgerin zu finden war schon immer schwierig. Bei Führungskräften kann die falsche Wahl zum „Ach und Weh“ für das Unternehmen führen. Ob richtig oder falsch, entscheidet sich nicht nur in der Persönlichkeit und den Kompetenzen des oder der Auserwählten. Wer vor der Einstellung den Prozess Nachfolge nicht kompetent angeht oder nach der Einstellung den Neuen oder die Neue nicht ausreichend begleitet, geht ein hohes Risiko ein.

1. Die Nachfolge

Nachfolgen sind Teil des betrieblichen Geschehens. Mitarbeiter scheiden aus und neue werden eingestellt. Betroffen davon sind irgendwann einmal alle Arbeitsplätze, von der Hilfskraft bis zum Geschäftsführer, ob Angestellter oder Inhaber. Es sei denn, der Arbeitsplatz wird nicht wieder besetzt, dann ist „nur“ der Abgang des jeweiligen Mitarbeiters zu managen.

1.1 Der Notfall

Im Idealfall lässt sich die Nachfolge planen. Das setzt die nicht nur arbeitsrechtlich rechtzeitige, sondern die frühzeitige Information über den bevorstehenden Wechsel voraus. Damit ist die rechtzeitige Ergreifung aller Maßnahmen zur Gewährleistung einer störungsfreien Nachfolge möglich.

Und was passiert, wenn die Nachfolge sich nicht im Voraus ankündigt, wenn sie ungeplant in das Unternehmen hereinbricht? Wenn der Mitarbeiter oder der Inhaber von heute auf morgen nicht mehr zur Arbeit erscheint? Der nun gestörte Arbeitsablauf muss so schnell wie möglich wieder in Gang gesetzt oder ein substituierender Arbeitsablauf gefunden und implementiert werden. Auf diesen Notfall kann sich ein Unternehmen, zumindest eingeschränkt, vorbereiten und für ihn gerüstet sein. Diese Vorbereitung ist um so existenzieller, je wichtiger die Bedeutung der Arbeitsaufgabe für Fortbestehen und Fortentwicklung des Unternehmens ist. Diese Kriterien sind generell der Funktion des Geschäftsführers zu unterstellen. Ein Notfallkoffer mit den wichtigsten Unterlagen, Anweisungen und Empfehlungen, stets aktuell gehalten, sollte als kurzfristiges Instrument zur Vorsorge gepackt sein.

Beispiel Notfallkoffer Geschäftsführung:

  • Vertretungsregelung und Vertretungsbefugnisse
  • Hinweis/Anweisung zur Vertretungslegitimation – Handlungsvollmacht, Bankvollmacht
  • Bei Gesellschaftern: unmittelbar zu beachtende Regelungen des Gesellschaftsvertrages
  • Übersicht wichtiger Ansprechpartner mit Funktion, Adressen und Kontaktdaten
  • Übersicht oder Kopien wichtiger Verträge und anderer bedeutender Dokumente
  • Passwörter (Computer Zugang, Dateien, Online-Banking, Tans usw.)
  •  Zweitschlüssel
  •  …

1.2 Die Unternehmensnachfolge

Die Unternehmensnachfolge ist im Gegensatz zur ausschließlichen Arbeitsplatz-/Funktionsnachfolge deutlich weiter gefasst. Hier wechseln neben der Leitung durch den bisherigen Unternehmer/geschäftsführenden Gesellschafter auch die Eigentumsverhältnisse. Aufgrund der Vielschichtigkeit der dabei zu klärenden Themen und der meist noch größeren Schwierigkeit, den passgenauen Nachfolger zu finden, sollte das Projekt Unternehmensnachfolge mindestens drei Jahre im Voraus angegangen werden. Die Praxis zeigt ein anderes Verhalten (vgl. Abbildung 1).

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Abbildung 1: Fristen der Inanspruchnahme der Nachfolgeberatung vor geplanter Übergabe

Die Nachfolge in einem Familienunternehmen ist für alle Beteiligten aufgrund zusätzlicher Komplexität, möglichen unterschiedlichen Interessen und weiteren Anforderungen an den Nachfolger mitunter eine noch größere Herausforderung. Unterschiedliche Varianten mit und ohne Eigentums-/Kapitalübertragung und Leitung durch Familienmitglieder oder Fremdmanagement sind denkbar. (vgl. Abbildung 2). Im Gegensatz zum „einfachen“ Unternehmensverkauf bleibt das Unternehmen trotz Nachfolge in der Einfluss- und Interessensphäre der Familie.

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Abbildung 2: Übersicht Formen von Unternehmensnachfolgelösungen für Familienunternehmen

2. Vorbereitung und Anforderungen

2.1 Zieldefinition

Wie bei vielen Handlungen und Projekten ist es für das Managen einer Nachfolge unerlässlich, sich zunächst über die Ziele der Nachfolge im Klaren zu sein. Was zunächst wie eine Selbstverständlichkeit anmutet, erweist sich in der Praxis als heikler Punkt. Die Ziele bestimmen die Gestaltung und die Auswirkungen der Nachfolge auf das System Unternehmen, seine Mitarbeiter und die anderen am Unternehmen interessierten Gruppen (Stakeholder).

Ein „weiter so wie bisher“ ist schnell ausgesprochen; besonders wenn man mit den Leistungen des Vorgängers zufrieden ist. Ein „weiter so wie bisher“ gibt die Chance, vertraute und bewährte Prozesse und Methoden erfolgreich weiterzuführen und die Stabilität im System beizubehalten. Ein „weiter so wie bisher“ beinhaltet aber auch das Risiko, die Chance für Veränderungen zu verpassen. Ist mit der Nachfolge das Ziel Veränderungen zu erreichen verbunden, so ergibt sich hier neben den Chancen aus der Veränderung umgekehrt das Risiko, Bewährtes aufzugeben und die Stabilität des Systems zumindest vorübergehend zu stören.

Für beide Zielrichtungen, beibehalten oder verändern, ist zu hinterfragen ob oder unter welchen Umständen sie zu realisieren sind.

Ist der zu besetzende Aufgabenbereich auf die Person des bisherigen Funktionsinhabers zugeschnitten und bedarf es dafür mitunter exotischer Wissens- und Fähigkeitenkombinationen, so wird ein „weiter so wie bisher“ in der Person des Nachfolgers schwer umzusetzen sein. Ist akzeptierte Seniorität und langjährig erworbene Anerkennung bisher maßgeblich zur Ausübung der Funktion, so wird der Wunsch nach einem deutlich jüngeren Nachfolger, der sich über die Jahre im Unternehmen entwickeln soll, möglicherweise mit einem „weiter so wie bisher“ kollidieren. Die „Alpha-Tiere“ des Unternehmens könnten dem Neuen die Zusammenarbeit verweigern und die Nachfolge zum Scheitern bringen.

Ist das Ziel hingegen, die Nachfolge für strategische, notwendige operative oder organisationale Veränderungen zu nutzen, so ist zu gewährleisten, dass der Nachfolger diese Veränderungen auch umsetzen und die sich daraus ergebenden Aufgaben erfüllen kann. Wie stark wird der Widerstand gegen die Veränderungen sein? Wer wird den Nachfolger unterstützen? Und Widerstand wird es geben, sonst sind die Veränderungen keine echten Veränderungen, sondern stehen nur auf dem Papier. Und manchmal übersehen der oder diejenigen, die über Zielrichtung und Nachfolge mitentscheiden, dass in bestimmten Bereichen auch sie „Verlierer“ einer zunächst gewollten Veränderung sind.

Wird beispielsweise ein neuer kaufmännischer Leiter eingestellt, verbunden mit der Aufgabe, eine integrierte Unternehmensplanung aufzubauen und eine strenge Budget- und Ausgabenüberwachung einzuführen, so darf sich der Unternehmer nicht wundern, wenn auch von ihm eine Planung seiner betrieblichen Ausgaben und privaten Entnahmen gefordert wird, und seine Ausgaben mit in den Betrachtungsfokus des Controllings geraten.

Nutzt der Unternehmer eine Nachfolge zur Umorganisation und übergibt seine bisherige Verantwortung für Bereiche an diesen Nachfolger, so muss im Voraus klar sein, dass sich damit Informationswege und direkte Zugriffsmöglichkeiten auf diese Abteilungen ändern – bisherige Selbstverständlichkeiten der direkten Information und Einflussnahme gehen für den Unternehmer verloren. Handelt er stattdessen wie bisher und steht die Umorganisation nur auf dem Papier, so untergräbt das die Position des Nachfolgers und wird sein Standing und die Einflussnahme in diesen Bereichen und im Unternehmen deutlich verringern.

Wer bestimmt das Ziel der Neubesetzung? Ist es oder sind es diejenigen, die auch unmittelbar für den Erfolg der zu besetzenden Funktion verantwortlich sind? Gibt es weitere an der Entscheidung beteiligte Instanzen, die alleine, mit oder gegen den Willen der unmittelbar Verantwortlichen, entscheiden? Bei fehlender Transparenz und nicht abgestimmten Zielen entstehen Risiken aus dem Entscheidungsprozess.

2.2 Erwartungshaltungen

2.2.1 Die Interessengruppen

Während vielleicht sogar etwas wehmütig an den Noch-Stelleninhaber gedacht wird, richtet sich der Blick unvermittelt auf den bereits vorhandenen oder noch zu suchenden Nachfolger. Innerhalb und außerhalb des Unternehmens gibt es zahlreiche Interessengruppen (Stakeholder), die an den Stabwechsel und damit an den Nachfolger unterschiedliche Erwartungshaltungen haben.

Interessengruppen im Unternehmen sind direkt und mittelbar unterstellte Mitarbeiter, gleichrangige Kollegen, Vorgesetzte, aufgrund von Zusammenarbeit betroffene Kollegen aus anderen Bereichen. Indirekt alle, die sich betroffen fühlen – beim Wechsel der Geschäftsführung damit die gesamte Belegschaft.

Interessengruppen von außerhalb des Unternehmens können Gesellschafter und Familien, Kunden und Lieferanten, Kreditgeber und Kooperationspartner sein sowie alle Personen und Institutionen, mit denen es weitere geschäftliche Kontakte gibt.

Eine Stakeholderanalyse gibt Aufschluss über die Betroffenen und die, die sich betroffen fühlen. Sie hilft Transparenz zu schaffen und die Erwartungen zu klären.

Aufgrund der herausgehobenen Bedeutung für Fortbestand und Entwicklung des Unternehmens steht der Wechsel des Geschäftsführers beispielsweise bei den Kreditgebern stark im Fokus. Die Fähigkeit, ein Unternehmen zu führen und dafür auch das betriebswirtschaftliche Know-how zu besitzen, wird von ihnen nicht nur erwartet, sondern findet spätestens seit Basel II ihre Auswirkung auch in der Beurteilung der Kreditwürdigkeit und in den Kreditkosten. Kann beispielsweise innerhalb einer Familiennachfolge der Nachfolger in diesen vorm Vorgänger sehr gut erfüllten Kriterien nicht voll überzeugen, sind Maßnahmen zur Kompensation geboten. So kann beispielsweise ein kaufmännischer Leiter oder ein aktiv eingebundener Firmenbeirat diese Kompetenzlücke in der Geschäftsleitung schließen.

2.2.2 Das Anforderungsprofil

Die vielfältigen Erwartungen an den Nachfolger sollten immer in einem detaillierten Anforderungsprofil zusammengetragen und klar definiert und bewertet werden. Mit diesem konkreten Anforderungsprofil lassen sich die Kompetenzen der Nachfolgekandidaten gegenüber den Anforderungen systematisch abgleichen. Ohne qualifiziertes Anforderungsprofil werden Entscheidungen ausschließlich aus dem Bauch heraus getroffen. Menschenkenntnis und Bauchgefühl gehören zwar zur Entscheidungsfindung mit dazu, allerdings sind sie Ergänzung eines systematischen und professionellen Vorgehens.

Die Anforderungen sind, wie bereits dargelegt, abhängig von der Zielsetzung, den Erwartungshaltungen und unmittelbar inhaltlich von der zu besetzenden Funktion. Schwierig wird es, wenn bei der Besetzung von Führungsfunktionen die fachliche Kompetenz zu sehr im Vordergrund steht. Der beste Maurer wird Polier, der beste Bauingenieur Projektleiter, der beste Buchhalter wird Leiter des Rechnungswesens und der beste Außendienstmitarbeiter Leiter des Vertriebs.  Natürlich müssen Führungskräfte auch eine gewisse Fachkompetenz besitzen, allerdings müssen sie darin nicht zwingend die Besten sein. Ihre Aufgabe ist es, für ihre qualifizierten Mitarbeiter einen Rahmen zu schaffen, in dem diese zu Höchstform auflaufen. Mit zunehmender Hierarchiestufe verliert die Fachkompetenz gegenüber den Führungskompetenzen an Bedeutung.

Führungskompetenzen:

  • Fachkompetenz
    Ist keine Führungskompetenz
  • Prozess- und Methodenkompetenz
    Aufgabenbezogene Führungstechniken. Ausrichten aller Handlungen auf das jeweilige Ziel
  • Integrative Kompetenz
    Gestaltung von Vernetzung und Zusammenarbeit. Zusammenwirken der verschiedenen betrieblichen Subsysteme organisieren. Brücken bauen über unterschiedliche Arbeits- und Abteilungsstrukturen
  • Sozialkommunikative Kompetenz
    Mitarbeiter mitnehmen, Teams führen und zielorientiert voranbringen
  • Selbstkompetenz
    Persönliche Arbeitsorganisation, Zeitmanagement

Neben den Kompetenzen ist die Persönlichkeit des Nachfolgers für seinen Erfolg mit entscheidend. In der Managementdiagnostik werden die stabilen persönlichen Eigenschaften von Menschen betrachtet. Viele der hier als Einstellungstests verwendeten Persönlichkeits- und Motivationstest überprüfen im Kern die Ausprägung der sogenannten „Big Five“ und gleichen sie mit dem Anforderungsprofil ab. Die „Big Five“ sind: Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit, emotionale Stabilität, Extraversion und Offenheit für Neues.

Ob im Auswahlverfahren solche Tests angewendet werden oder aufgrund von strukturierten Interviews versucht wird, die Persönlichkeit der Kandidaten näher zu bestimmen, hängt auch von der Bedeutung der Funktion und dem zur Verfügung stehenden Budget ab.

Nichtsdestotrotz ist ersichtlich, dass die Bestimmung des Anforderungsprofiles mit den unterschiedlichen Kompetenzen und notwendigen Persönlichkeitsausprägungen durchaus herausfordernd ist. Gleiches gilt für die Vorstellungsgespräche. Pro in Frage kommenden Bewerber sollten mehrere Gespräche geführt werden und mindestens zwei „Beurteiler“ daran teilnehmen. Sozialromantik hat im Auswahlverfahren wenig Platz, Wertschätzung hingegen gehört dazu.

Die Unterstützung durch externe Experten (Berater/Coaches) kann zusätzliche Kompetenzen bringen und die Neutralität/Objektivität im Auswahlverfahren erhöhen.

2.3 Besonderheit Familiennachfolge

Eine Besonderheit bei der Nachfolge ist die Nachfolge der Geschäftsführung von Unternehmen, die im Familienbesitz sind und von einem oder mehreren Familienmitgliedern geführt werden. Hier ist die Familie Interessengruppe (Stakeholder) als Kapitalgeber und ggf. auch als gleichrangige Kollegen; gleichzeitig sucht sie in ihren Reihen den oder die Nachfolger und beeinflusst oder versucht zumindest die Führung und langfristige Ausrichtung des Unternehmens mit zu beeinflussen.

Im Glücksfall ist die Unternehmerfamilie dabei eine Gruppe, die mit gleichen Interessen und geprägt von gleichen Werten, Überzeugungen und Idealvorstellungen in Bezug auf das Unternehmen denkt und handelt. Häufig genug bleibt dieses jedoch eine Idealvorstellung. Unterschiedliche Interessen – z. B. langfristige Unternehmensentwicklung und Kapitalaufbau gegen maximal mögliche Kapitalausschüttung – wirken einander entgegen. Stehen mehrere potenzielle Nachfolger gegebenenfalls auch aus unterschiedlichen Familiengruppen bereit, so hängt die Einigung auf den Nachfolger nicht immer nur von dessen Qualitäten ab. Andererseits kann es gelten, nicht zum Zuge gekommene Geschwister oder weitere Familienangehörige einvernehmlich zu entschädigen, will man nicht den Grundstock für fortwährende Rivalitäten und Missgunst liefern.

Um die unterschiedlichen Interessen innerhalb der Familie zu kanalisieren und ihnen eine gemeinsamen Richtung zu geben, kann die Entwicklung einer familiär anerkannten Familiencharta nützlich sein. Zwar ist sie nicht rechtlich bindend, kann aber einen moralischen Anspruch erheben und einen Interessenausgleich ermöglichen. Je schwieriger die Situation, desto mehr kann ein familienfremder Moderator zur Entwicklung der Charta beitragen.

Die Auswahl des Familiennachfolgers hängt nicht nur von den allgemeinen Interessen der Familienmitglieder, sondern ganz wesentlich von der Qualifikation des potenziellen Nachfolgers ab. Diese scheint um so besser einschätzbar zu sein, je länger der Kandidat bereits im Unternehmen auf anderen Positionen gearbeitet und sich bewährt hat. Hier ist zu berücksichtigen, dass ihm von Mitarbeitern ausgestellte Beurteilungen nicht unbedingt neutral sind. Neben der Beurteilung der Arbeitsleistung können sie einen Goodwill-Bonus für die Erwartung der späteren Führungsübernahme enthalten.

2.4 Der Übergang

Nicht immer kann die Nachfolgesuche im geplanten Zeitrahmen abgeschlossen werden. Entweder ist der Nachfolger noch nicht gefunden, er steht noch nicht bereit (z. B. wegen einer längeren Kündigungsfrist) oder ist noch nicht soweit (der Familiennachfolger ist noch nicht alt/reif genug oder muss erst noch eine Weiterqualifizierung beenden). Sofern der Vorgänger nicht mehr zur Verfügung steht, kann durch befristet eingesetzte externe Manager (Interim Manager) diese Warte- und Qualifizierungszeit überbrückt werden.

Schließt die Nachfolge nahtlos an, so ist rechtzeitig ein Prozess der „Wissensspeicherung“ des Vorgängers einzuleiten, damit dem Nachfolger dieses Wissen zur Verfügung steht.

Gerade in Familienunternehmen, aber nicht nur dort, wird oft eine gemeinsame Übergangszeit von Übergeber und Nachfolger vereinbart. Der Nachfolger kann am Wissen des Vorgängers wachsen und die Geschäfte können reibungslos übergeben werden. Leider steckt hier die Tücke häufig in allzu menschlichen Denk- und Verhaltensweisen. Ist dem Übergeber beispielsweise ein Beratervertrag in Aussicht gestellt worden, so ist das Interesse an einer unbefangenen Wissensübergabe mitunter deutlich geschmälert.

Schlimmer kann es noch kommen, wenn der Übergeber zwar das Unternehmen verlassen wollte, dieses aber nicht tut. Dieses kann bei Familiennachfolge häufiger beobachtet werden. Wenn der Vorgänger an seinem Platz festhält, die Arbeitsweise und Entscheidungen des Nachfolgers plötzlich nicht mehr passend findet oder einfach meint, dass die endgültige Übergabe doch noch Zeit hätte, ist Ärger vorprogrammiert. Dieser Ärger kann nur durch klare und im Einzelfall auch durchsetzbare Regelungen reduziert oder vermieden werden. Vielleicht setzt sich auch beim Vorgänger die (scheinbare) Erkenntnis durch: „So gut wie ich kann es sowieso keiner!“ – spätestens dann besteht dringender Handlungs- und Unterstützungsbedarf.

Schon viele Familiennachfolgen, auch sehr namhafter Unternehmen, sind an zwischenmenschlichen Querelen gescheitert. Ein eindeutiger Übergabefahrplan muss diesem vorbeugen. Wann gehen welche Befugnisse und Pflichten über? Wie werden Konflikte gemanagt, gibt es im Rahmen einer Eskalationsregelung gegenseitig anerkannte Schlichter/Mediatoren? Zur „menschlichen“ Qualitätssicherung des Übergabeprozesses kann von vornherein eine Moderation/Coaching durch einen Dritten vereinbart werden – Konflikte werden dann bei Ihrem Entstehen geklärt und führen nicht zu einem Schwelbrand der persönlichen Beziehung.

3. Der Marktplatz für Nachfolger

Die Suche nach dem „einen richtigen“ Nachfolger war schon immer schwierig. Gab es über viele Jahre einen Überschuss an Bewerbern, so hat sich in vielen Bereichen der Arbeitsmarkt bereits gedreht. Unternehmen suchen in bestimmten Bereichen Facharbeiter und Spezialisten und bekommen sie nicht. Qualifizierte Fachkräfte können sich ihren Arbeitgeber immer häufiger aussuchen. Der Arbeitnehmer bewirbt sich nicht mehr um den Arbeitsplatz, sondern dass Unternehmen bewirbt sich um den Mitarbeiter.

Die Attraktivität von Arbeitsplatz und Unternehmen entscheidet darüber, Mitarbeiter zu bekommen und auch zu binden. Attraktivität entsteht nicht nur mit der Höhe von Vergütung und Nebenleistungen, bei denen gerade kleinere Mittelständler und Kleinunternehmen mit ihren größeren Wettbewerbern nur schwer mithalten können. Standortnachteile, zum Beispiel fernab von anziehenden Ballungszentren, müssen ausgeglichen werden. Die Schaffung dieser Attraktivität ist eine strategische Aufgabe, die für Unternehmen überlebenswichtig sein kann und eine moderne Personalstrategie und Mitarbeiterführung, die den Wertewandel der Arbeitnehmer einbezieht, erfordert.

Die Demografische Entwicklung und der Fachkräftemangel betreffen auch die Unternehmensnachfolge. „Immer weniger Nachfolger für immer mehr Unternehmen“ – so bringt der Titel des DIHK-Reports zur Unternehmensnachfolge 2013 die Situation auf den Punkt. Für die Unternehmensnachfolge gilt im besonderen Maße: Nur wenn das Unternehmen attraktiv genug ist, wird es einen Nachfolger finden.

Wege zu mehr Attraktivität von Arbeitsplatz und Unternehmen lassen sich einschlagen. Wer sich rechtzeitig aufmacht, kann das Ende erreichen; die anderen verschlingt der Markt unterwegs.

4. Das System

Ist der Nachfolger gefunden, beginnt der Integrationsprozess. Systeme haben die Eigenschaft, sich auszubalancieren. Sie erarbeiten sich einen kraftsparenden Modus, in dem die Teilnehmer ihren Platz kennen und eingenommen haben. „Neue Besen kehren anders“, das heißt, neue (Führungs-)kräfte sind Veränderungen, die dieses System aus dem Energiesparmodus erwecken können. Dadurch können neue Kreativität und Innovationen entstehen, allerdings können dabei auch erhebliche Widerstände ausgelöst werden. Werden die Widerstände überwunden, obsiegt die Führungskraft (Held), sind die Widerstände im System zu stark, verliert die Führungskraft (Märtyrer).

Entscheidend für die erfolgreiche und zügige Überwindung der Widerstände ist die Beherrschung der Führungskompetenzen und das Können im Umgang mit Veränderungen. Wie schwer das ist, erfährt man aus den Wirtschaftsnachrichten, wenn nach kurzer Zeit wieder ein hochgelobter, neuer Manager sein Unternehmen verlassen muss.

Natürlich ist für den Erfolg der Integration des Neuen auch die ihm zuteil werdende Unterstützung mit verantwortlich. Wechselt der Vorgänger auf eine höhere Unternehmensposition, wird es schwierig, wenn der Nachfolger Unzulänglichkeiten oder gar Fehler seines Vorgängers aufdeckt. Soll der Nachfolger ein Projekt voranbringen, für das ihm die vorher zugesagte Unterstützung langsam entzogen oder nur halbherzig gewährt wird, sind seine Durchsetzungsfähigkeit und sein Gestaltungsspielraum möglicherweise langfristig beschädigt.

5. Die Personen

5.1 Der Nachfolger

Die viel zitierten ersten 100 Tage dienen der Integration des Nachfolgers ins neue Unternehmen. Der Neue lernt Arbeitsplatz und Umfeld kennen, verinnerlicht die Unternehmenskultur und baut den Kontakt zu den Mitarbeitern auf. Offenheit für Neues, ehrliches Interesse und kritische Selbstreflexion erleichtern den Einstieg.

Sofern die neue Führungskraft bereits vorher auf einer ähnlichen (Führungs-)position war, kann sich die Integration weitgehend unproblematisch entwickeln. Handelt es sich um einen hierarchischen Aufstieg oder hat sich die Funktion völlig verändert, so ist es oft sinnvoll, den damit einhergehenden Rollenwechsel zu begleiten. War der Vorgänger ein (autoritär) ansagender Vorgesetzter und der Nachfolger versteht sich als Moderator mit kooperativem Führungsstil, oder er versteht sich mehr als kreativer Ideengeber, der das Moderieren einem Mitarbeiter übertragen möchte, so kann dies zu erheblichen Spannungen, Widerständen, Unverständnis und offenen Konflikten auf beiden Seiten führen. Ähnlich schwierig kann sich der Rollenwechsel vom Mitarbeiter zum Vorgesetzten gestalten.

In größeren Unternehmen und zunehmend auch im Mittelstand werden Rollenwechsel durch Trainings und Coaching begleitet. Führungskompetenzen werden aufgebaut, Selbstwertgefühl gestärkt und Reflexion ermöglicht. Die Erkenntnis, dass Spannungen, Konflikte, innere Kündigung, verweigerte Kreativität, fehlende Innovativität und misslungene Mitarbeiterintegration viel teurer und unternehmensschädlicher sind als Personalentwicklungsmaßnahmen, hat sich mittlerweile weit verbreitet.

5.2 Der Vorgänger

Ist eine Übergabephase zwischen Vorgänger und Nachfolger eingeplant, so ist auch die Bereitschaft des Vorgängers zur Übergabe sicherzustellen.

Während der Übergangsphase verringern sich die Aufgaben des Vorgängers und gehen immer mehr auf den Nachfolger über. Diese zunehmende Arbeitsleerlaufzeit des Vorgängers macht für ihn den Tag lang und kann zudem gegen seine eigenen Werte verstoßen. Damit er sich nicht an der Arbeit festklammert, kann die offizielle Erlaubnis zur selbstbestimmten Leerlaufzeitgestaltung und der Hinweis auf die Wichtigkeit dieses Verfahrens helfen.

Geht der Vorgänger in den Ruhestand, so erfolgt auch für ihn ein Rollenwechsel. Manche Menschen erkennen erst in diesem Augenblick, dass der Chefsessel zu Hause bereits besetzt ist. Aus Sicht eines Familienunternehmens wird das tragisch, wenn der Vorgänger nicht loslassen kann und immer wieder versucht, in die Arbeit seines Nachfolgers und das Geschick des Unternehmens einzugreifen. Dem kann ein klarer Übergangs- und Übergabeplan vorbeugen. Da die Problematik des Nicht-abgeben-Könnens/Wollens bereits während der Übergabephase auftreten kann, sind hierfür Vorkehrungen, z. B. die Benennung einer Schiedsstelle/-person empfehlenswert. Um den Rollenwechsel besser zu verinnerlichen, kann Coaching für den Vorgänger unterstützend sein.

6. Resümee

Eine erfolgreiche Nachfolge ist kein Selbstgänger. Nachfolge ist ein komplexer Prozess, an dessen Anfang die Transparenz über Ziele, Wünsche und Hoffnungen der unmittelbar Beteiligten, der Entscheidungsträger und mittelbar einflussnehmenden Personen und Institutionen bestehen muss. Strukturiertes und planvolles Vorgehen ist notwendig, Ziele, Meilensteine und Zeitachse sind festzulegen.

Je wichtiger die Position für das Unternehmen, desto eher ist die Nachfolge in ein Strategie­, Struktur- und Kulturprojekt einzubinden (Organisationsentwicklung). Die Anforderungen für das Top-Management sind werte-, strategie- und kompetenzbasiert zu definieren.

Der Nachfolger, gegebenenfalls auch der Vorgänger, profitieren in ihren neuen Rollen von externer Unterstützung; der optimale Erfolg ihrer Rollenübernahme kann dadurch verbessert werden.

Besonderheiten der Familiennachfolge erfordern besondere Aufmerksamkeiten. Externe Prozessbegleitung hilft, viele Felsen zu umschiffen, die sich sonst schnell als bedrohliche Gestade von enttäuschten Erwartungen, verletzten Gefühlen und zerbrochenen Hoffnungen auf beiden Seiten zusammenballen.

Objektivität und Professionalität sind im gesamten Prozess erfolgsbegründend. Wo diese Kernkompetenzen fehlen oder nicht sichergestellt werden können, ist externe Unterstützung notwendig.#

Matthias Bäcker, Claus-Dieter Piontke

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Kundenorientierung zählt

der gemeinderat 5/2013 – Die bürgernahe Kommunalverwaltung orientiert sich am Kunden. Das Ziel scheint klar, der Wille der in den Kommunen Verantwortlichen ist fest. Aber welche Risiken und Schwierigkeiten lauern auf dem Weg, die Verwaltung umzustrukturieren?

„Der Kunde ist König!“, so das Mantra der Kundenorientierung. Daraus ergibt sich die Frage, wie die Verwaltung aufgestellt sein muss, um den Kunden in den Mittelpunkt ihrer Handlungen zu stellen. Die herkömmliche Verwaltung orientiert sich an Funktionen und danach gegliederten Zuständigkeiten. Störungsfreie und wiederkehrende Aufgabenerfüllung prägen die Organisation, nicht der Kunde mit seinen zuständigkeitsübergreifenden Ansprüchen.

Kundenorientierung erfordert daher einen Umbau von Aufbau- und Ablauforganisation. Zielkunden sind festzustellen wie Familien, Arbeitnehmer, Bauherren, Unternehmen, Vereine und andere Gruppen. Es geht um deren Bedürfnisse. Freundlichkeit, Service und Öffnungszeiten, Schnelligkeit, Verständlichkeit und Einfachheit, Kosten und Fachberatung sind wichtige Kriterien. Bisher kümmerte sich der Sachbearbeiter um ein begrenztes Anliegen. Jetzt wird Wissen fachübergreifend benötigt. Damit wird Zusammenarbeit zwingend, Teams werden notwendig und Wissensmanagement wird unabdingbar.

Dieser organisatorische Wandel lässt erahnen, welche gravierenden Änderungen auf die Mitarbeiter zukommen. Die Befriedigung der Kundenbedürfnisse als Teil beruflicher Selbstverwirklichung zu sehen, bedeutet Abschied nehmen von der objektiven wie gefühlten Macht über den eine Verwaltungshandlung begehrenden Bürger. Kundenorientierung funktioniert dann, wenn man den Kunden kennt und sich an ihm orientiert. Dazu sind Feedbacksysteme wie Kundenbefragungen und Beschwerdemanagement nötig. Der Mitarbeiter, eben noch Verwaltungssachbearbeiter, wird zum Kundendienstler im Rampenlicht. Wer würde bei diesem Wechsel nicht Angst und Unsicherheit empfinden?

Andererseits gewinnen die Mitarbeiter mit dieser neuen Ordnung größere Selbständigkeit, haben mehr Möglichkeiten zur Gestaltung, können zusätzliche Kompetenzen entwickeln. Sie sind an der Lösungsfindung direkt beteiligt. Dies sind alles Faktoren, die die moderne Personalentwicklung als motivierend ansieht. Und dennoch stellt sich die Frage, ob die Bedürfnisse der Verwaltungsmitarbeiter damit erfüllt sind und ihrer Persönlichkeit gerecht getan wird?

Das „Big-Five“-Modell erfasst zentrale Merkmale menschlicher Persönlichkeit. Wertet man die Ergebnisse von Testgruppen nach Berufsgruppen aus, so finden sich für Beamte hohe Werte für Gewissenhaftigkeit und geringe Werte für Extraversion und Offenheit. Das ist sicherlich auf viele Arbeitnehmer der Verwaltung übertragbar. Wer kreativ sein will, neue Herausforderungen sucht, ein innovatives Umfeld erwartet und Selbstverwirklichung anstrebt, wird sich meist nicht in der öffentlichen Verwaltung bewerben. Sicherheit und Beständigkeit sind hier die vorherrschenden Kriterien. Das heißt, dass Veränderungen persönlichkeitsbedingt nicht mit Sehnsucht erwartet werden und Widerstand programmiert ist.

Auch auf die Führung kommen massive Veränderungen zu. Hierarchische Systeme mit detaillierten Vorgaben neigen zur Verantwortungsverweigerung. Entscheidungen werden so lange die Hierarchie hinauf weiterdelegiert, bis sich eine Stelle nicht mehr entziehen kann. In einer kundenorientierten Struktur hingegen gilt es schnell zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen. Auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern muss Führung wahrgenommen werden. Fähigkeiten wie Ziele vorgeben, Feedback geben, Konflikte lösen und Teams entwickeln sind hier elementar. Dieses fordert von vielen Führungskräften ein grundlegendes anderes Selbstverständnis. Da die meisten Führungskräfte eher wegen ihrer Fachkompetenz und weniger wegen der jetzt geforderten Führungsfähigkeiten ihre Funktion erhalten haben, lässt sich die Schwierigkeit dieser Transformation ermessen.

Die Veränderung zu führen bedeutet Strukturen anzupassen und die Menschen mitzunehmen. Wenn Ängste und Vorbehalte den Veränderungsprozess lähmen, wird das Ziel nicht erreicht. Das Top-Management muss den erklärten Willen zur Veränderung haben und Vorbild sein. Das mittlere Management setzt um. Hier fällt die Entscheidung!

Die Veränderung der Verwaltung aus sich heraus wird kaum gelingen. Fach- und Methodenkompetenzen der Organisationsentwicklung sind nicht vorhanden. Die Neutralität der Führungskräfte gegenüber den Mitarbeitern ist nicht gegeben. Hier können stattdessen außenstehende Unterstützer Vertrauen gewinnen und den Veränderungsprozess erfolgreich führen.

Der Veränderungsprozess

Isolierte Aktivitäten auf einzelnen Ebenen einer Organisation bewirken keinen erfolgreichen Veränderungsprozess. Vielmehr ist das System als Ganzes zu entwickeln: Der Veränderungspro-zess vollzieht sich in drei Bereichen:

  • Organisationsentwicklung: Organisationsaufbau und Abläufe werden angepasst
  • Personalentwicklung: Fähigkeiten sind zu entwickeln, Verhalten ändert sich
  • Kulturentwicklung: Veränderung von Werten und Normen

Claus-Dieter Piontke

veröffentlicht in “der gemeinderat”, Ausgabe 5/2013

Joule 03/2011 – Wirtschaftlichkeitsrechnungen für Bioenergieanlagen sind Planrechnungen, in die sehr viele Parameter wie z.B. die Rohstoffkosten, der Stromverbrauch, der Wirkungsgrad oder auch die Inflationsrate und der technische Fortschritt eingehen. Die meisten dieser Größen sind – in unterschiedlichem Maße – unsicher und unterliegen teilweise erheblichen Schwankungen im Zeitverlauf. Das Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hängt stark von all diesen Größen ab und ist folglich mit vielen Unsicherheiten behaftet. Planrechnungen mit statischen Werten können diese Unsicherheit ebenso wenig abbilden wie klassische best- und worst-case-Betrachtungen. Szenariosimulation liefert neben dem klassischen Ergebnis der Planrechnung die Wahrscheinlichkeiten, mit denen die Planwerte sowie bestimmte Gewinn- oder Verlustschwellen erreicht werden. Insbesondere für die Beurteilung der Kapitaldienstfähigkeit ergeben sich damit deutlich verbesserte Aussagen. Die wetreu Unternehmensberatung hat die Szenariosimulation für Bioenergieanlagen nun praxistauglich und einfach anwendbar gemacht.

In die Wirtschaftlichkeitsberechnung für Bioenergieanlagen geht eine Vielzahl von Parametern ein. Zunächst müssen die wesentlichen Kostengrößen berücksichtigt werden. Dies sind insbesondere die Rohstoffkosten, aber auch die Kosten für die Ausbringung der Gärreste, für Gülletransporte, für den eingekauften Strom-Eigenbedarf, für Personal, Wartung, Instandhaltung, sonstige Betriebsmittel, für Umweltgutachter, Analytik und weitere Beratungsleistungen und einiges mehr.

Selbstverständlich sind auch die Erlöse zu berücksichtigen für eingespeisten Strom, abgegebene Wärme, oder auch für verkauftes Gas oder – noch selten – aus dem CO2-Zertifikatehandel.

Sowohl die Kosten- wie auch die Ertragsgrößen hängen neben der Preisentwicklung am Markt auch von der Betriebsweise der Anlage und deren Prozesseffizienz ab. Die Rohstoffqualität, die Gasausbeute, der Eigenstromverbrauch, der elektrische Wirkungsgrad eines BHKWs  und eine Reihe weiterer Größen beeinflussen das wirtschaftliche Ergebnis einer Anlage sehr stark. Nicht unerheblichen Einfluss im Zeitverlauf hat auch der technische Fortschritt, der sich auf vielerlei Weise auf Bioenergieanlagen auswirkt.

Schließlich beeinflussen die Investitionskosten für die Erstinvestition, aber auch für anfallende Ersatzinvestitionen, den Anlagenerfolg und müssen in der Planrechnung Eingang finden.

„Nichts Genaues weiß man nicht…“

Alle vorgenannten Größen haben jedoch eines gemeinsam: sie sind keineswegs fixe Größen, die sich im Ablauf eines meist 20-jährigen Planungshorizontes nicht oder nur mit festen Raten ändern.

Vielmehr sind die meisten dieser Größen mehr oder weniger unsicher, sie schwanken zum Teil beträchtlich. Viele dieser Größen entwickeln sich dabei voneinander völlig unabhängig, sie können gleichzeitig in die gleiche Richtung weisen und ihre Wirkung kann durch unvorhergesehene Ereignisse, beispielsweise technische Störungen, verstärkt werden, sie können sich aber auch gegenseitig zum Teil aufheben. So können beispielsweise Rohstoff- und Energiepreise und Personalkosten gleichzeitig stark steigen, die Entwicklung der Größen kann aber auch ganz verschieden verlaufen.

Kurz zusammengefasst: so genau kann man das nicht sagen, wie sich das alles entwickeln wird! Es kann gut gehen, oder auch nicht!

In Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden für all diese Parameter singuläre Planwerte angesetzt, von denen man annimmt, dass diese Werte wohl so eintreten könnten, die man also für recht wahrscheinlich hält. Oft wird dann – insbesondere von finanzierenden Banken – noch ein Alternativszenario verlangt als so genannter worst case, bei dem für einzelne Parameter sehr schlechte Werte eingesetzt werden. So wird dann häufig mit einer sehr niedrigen Volllast-Betriebsstundenzahl pro Jahr und einem gleichzeitig sehr hohen Rohstoffpreis gerechnet, während alle anderen Parameter konstant gesetzt werden.

Mangels anderer Methoden ist dies zwar „besser als Nichts“, um die wirtschaftliche Belastbarkeit einer Anlage zu beurteilen, für eine qualifizierte Beurteilung des wirtschaftlichen Risikos einer Anlage und die Einschätzung, mit welcher Sicherheit die Kapitaldienstfähigkeit gewährleistet ist, empfiehlt sich jedoch eine andere Vorgehensweise, die wesentlich aussagekräftigere Ergebnisse und deutlich bessere Einschätzungen des Risikos, der Gewinn- und der Ausfallwahrscheinlichkeiten liefert: die Szenario-Simulation mit Hilfe der Monte-Carlo-Methode.

Mehr Sicherheit durch Szenario-Analyse

In der Szenario-Analyse werden verschiedene Szenarien möglicher Entwicklungen gebildet und ausgewertet.

Für alle wichtigen, schwankenden Parameter wird festgelegt, innerhalb welcher Bandbreite die Schwankung dieser Parameter angenommen werden soll. So kann für den Maispreis beispielsweise, ausgehend von einem geplanten Wert von 33 Euro je Tonne, eine relativ große Schwankungsbreite in verschiedenen Szenarien zwischen z.B. 27 und 45 Euro angenommen werden, während etwa für den elektrischen Wirkungsgrad aufgrund der technischen Auslegung nur relativ geringe Schwankungsbreiten anzusetzen sind. In der Szenariosimulation werden dann für die verschiedenen Szenarien jeweils unterschiedliche Werte für die einzelnen Größen aus der zuvor definierten Bandbreite möglicher Werte eingesetzt.

Nach Festlegung der Schwankungsbreiten der Werte der einzelnen Parameter können dann beliebige Szenarien mit den unterschiedlichsten Ansätzen für jeden einzelnen Parameter berechnet werden. Die Bandbreite der Werte für die einzelnen Parameter wird aus Erfahrungswerten und Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen abgeleitet.

Das Gesetz der großen Zahl: Die Monte-Carlo-Methode

Die Vielzahl der Parameter, die sich unabhängig voneinander in verschiedenen Richtungen bewegen können, führt zu einer großen Zahl verschiedener möglicher Entwicklungen und Ergebnisse.

Genau hier setzt die Monte-Carlo-Methode ein. Zur Ermittlung möglicher Abweichungen von der zunächst erstellten Planrechnung wird mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation eine Vielzahl alternativer Szenarien berechnet. Dabei wird für jeden variablen Parameter in jedem Szenario ein anderer Wert angenommen. Der Wert wird – unter Beachtung zuvor definierter Verteilungsfunktionen – zufällig aus dem durch die Schwankungsbreite vorgegebenen Wertebereich gewählt. Für jedes alternative Szenario ergibt sich so ein anderes Ergebnis, es entsteht eine große Zahl verschiedener Ergebnisse der immer wieder zufällig im Rahmen der vorgegebenen Schwankungsbreiten variierten Planrechnung.

In der Praxis wird die Simulation computergestützt durchgeführt. Die Werte für die einzelnen Parameter werden von der Simulationssoftware zufällig aus dem Schwankungsbereich gewählt. Für umfangreiche Wirtschaftlichkeits-berechnungen für Biogasanlagen mit etwa zwanzig schwankenden Variablen und einem 20-jährigen Betrachtungszeitraum sind nach den praktischen Erfahrungen des Autors mindestens etwa 100.000 Simulationen notwendig, um stabile Ergebnisse zu erhalten, die reproduzierbar valide Prognosen der Wahrscheinlichkeit, mit der sich bestimmte Ergebnisse einstellen werden, zu erhalten. Die reine Rechenzeit für die Durchführung von 100.000 Simulationen einer Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Biogasanlage beträgt auf einem leistungsfähigen PC etwa 10 Minuten, abhängig von der Komplexität des zugrunde liegenden Rechenmodells.

Aus der Verteilung der Ergebnisse der verschiedenen Szenarien kann bei Berechnung einer hinreichend großen Anzahl von Szenarien die Wahrscheinlichkeit, mit der sich bestimmte Ergebnisse einstellen, abgelesen werden, d.h. dass beispielsweise ein Ergebnis, welches in der Simulation in 90% aller Fälle nicht unterschritten wurde, mit ebendieser Wahrscheinlichkeit auch in der Praxis erreicht wird. So lassen sich nicht nur Einschätzungen darüber ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit Planrechnungen eintreten werden, sondern insbesondere auch die interessante Frage beantworten, mit welcher Wahrscheinlichkeit beispielsweise überhaupt ein Gewinn entstehen wird oder mit welcher Wahrscheinlichkeit jedenfalls der Kapitaldienst aufgebracht werden kann.

Praktischer Nutzen

Neben den „normalen“ Ergebnissen der Planrechnung können valide Aussagen zur Wahrscheinlichkeit von Abweichungen von der Planung, zur Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Gewinnen oder Verlusten, zur Wahrscheinlichkeit der Kapitaldienstfähigkeit etc. auf solider Basis getroffen werden.

Daneben kann auch ein „echtes“ worst-case-Szenario bestimmt werden, das ist das Szenario, welches sich als schlechtestes aller Szenarien in der Simulation ergeben hat.

Durch Sensitivitätsanalysen kann außerdem der Einfluss der Veränderungen einzelner Parameter auf das Gesamtergebnis analysiert werden.

Anhand der Ergebnisse der Simulation kann sodann bereits in der Planungsphase das Konzept optimiert, die Planungssicherheit verbessert werden, indem durch Simulation unterschiedlicher Varianten untersucht wird, wie sich die Veränderung einzelner Parameter auf das Simulationsergebnis auswirkt. In der Praxis konnte der Autor dabei beobachten, dass bereits durch relativ kleine Veränderungen einzelner Einflussgrößen, beispielsweise der Gestaltung der Finanzierung oder anderer Vertragswerke, die Schwankungsbreite der möglichen Ergebnisse erheblich reduziert und damit die Sicherheit der Ergebniserwartungen deutlich erhöht werden konnte.

Einfach anwendbar

Ohne großen Zusatzaufwand kann mit der Monte-Carlo-Simulation die Aussagekraft von Wirtschaftlichkeitsberechnungen erheblich verbessert werden. Die wetreuUnternehmensberatung aus Kiel hat den Ansatz für die Kalkulation von Bioenergieanlagen soweit standardisiert und auf die wesentlichen Elemente heruntergebrochen, dass – mit Hilfe der leistungsfähigen Simulationssoftware – die Simulation Bestandteil jeder Wirtschaftlichkeitsberechnung sein kann.

Matthias Bäcker

veröffentlicht in Joule, Ausgabe 03/2011

Joule 06/2012 – Insider vermuten, dass bis zu 30% der Biogasanlagen in Deutschland wirtschaftlich notleidend sind. Genaue Zahlen gibt es nicht. Steigende Substratpreise werden als Ursache genannt, sind jedoch nur selten der Hauptgrund, wenn es BGA schlecht geht. Hohe Preise verschärfen nur die Situation für Anlagen, denen es ohnehin nicht gut geht. Die Ursachen sind meist vielfältig, und die Möglichkeiten, Abhilfe zu schaffen, sind bei jeder Anlage anders. Die Sanierung von BGA erfordert die ganzheitliche Betrachtung und ein Sanierungskonzept, das anerkannten Standards folgt. Nur damit können die Ursachen erkannt und nachhaltig Abhilfe geschaffen werden. Dazu sind erfahrene Sanierungsfachleute erforderlich, die über technische, wirtschaftliche und Sanierungserfahrung verfügen.

Eine BGA am Rande einer norddeutschen Kleinstadt, im August 2011: die Bank hat dem Betreiber eröffnet, dass sie den Kredit für die gestiegenen Erntekosten nicht bereitstellen wird. Nach zwei Jahren ohne Gewinn und einem Jahr mit erheblichen Verlusten könne man die Kredite nicht mehr ausweiten, zumal die Anlage ja nur 86% Auslastung erreicht habe. Alle Ankündigungen, dass es nun besser werde, wenn die Anlage erst richtig laufe und Nachbesserungen ausgeführt seien, fruchteten nicht mehr. Der Betreiber solle sich umschauen, ob er nicht einen anderen Investor finde, teilte die Bank unverblümt mit. Der Betreiber und sein Mitgesellschafter stehen ratlos vor dem Problem, in wenigen Wochen die Ernte bezahlen zu müssen.

Wenn die Bank „Druck macht“, laufende Rechnungen oder Darlehensraten nicht mehr pünktlich bedient werden können, wenn gar ein neuer Investor als letzter Ausweg erscheint, wird es für Anlagenbetreiber allerhöchste Zeit, sich grundlegend um Abhilfe zu bemühen – besser ist es, schon früher aktiv zu werden, wenn erste Krisenzeichen erkennbar werden.

Nicht warten, bis die Bank drängt

Man könnte meinen, Biogasanlagen seien alle gleich, und deshalb wäre auch die Beseitigung von Schieflagen standardisierbar: das ist weit gefehlt. Jede Anlage ist anders, von der privilegierten Anlage eines Landwirts mit einer einfachen Unternehmensfinanzierung, die mit Mais von eigenen Flächen und ein, zwei weiteren Lieferanten betrieben wird und keine Wärmenutzung hat, bis zur in mehreren Baustufen errichteten Anlage mit einer Vielzahl von Gesellschaftern, Satelliten-BHKWs mit umfassender Wärmenutzung, verschiedenen Rohstoffen und einer komplexen Finanzierungsstruktur. Hinzu kommen unterschiedliche Vergütungsstrukturen und technische Konzepte. Daher muss jede Anlage individuell betrachtet werden, gerade in Krisensituationen.

Die Krisenbewältigung oder Sanierung erfordert einen umfassenden Blick auf das ganze Unternehmen – die Fokussierung auf einzelne technische Aspekte allein reicht nicht aus. Ein Sanierungskonzept muss alle Bereiche einbeziehen.

Für Sanierungskonzepte für Unternehmen hat sich in der Praxis ein „Quasi-Standard“ durchgesetzt, der auch zunehmend von Banken verlangt wird. Dieser Standard ist auch für Biogasanlagen gültig und gibt sowohl dem verantwortlichen Unternehmer wie den Banken Sicherheit, dass alle relevanten Punkte bedacht wurden. Der Standard IDW S6, erarbeitet vom Institut der Wirtschaftsprüfer, gibt den Rahmen und wesentliche Bestandteile eines Sanierungskonzeptes vor. Zwar ist der Standard nur für Wirtschaftsprüfer verpflichtend, in der Praxis hat sich jedoch die Anlehnung an den Standard bei Banken und qualifizierten Unternehmensberatungen durchgesetzt.

Ein S6-Sanierungskonzept beinhaltet eine umfassende Unternehmensanalyse vom Marktumfeld mit den Absatzmöglichkeiten (für BGA etwa Fragen zur EEG-Einstufung, Direktvermarktung, Wärmenutzung)  über Einkauf, Produktion, Organisation (für BGA: Anbau- / Rohstoffverträge, Logistik, Ernteorganisation, Betriebsorganisation, Anlagenbetrieb und -leistung, technische Einschätzung, …) bis hin zu rechtlichen und finanziellen Verhältnissen. Dabei werden auch alle Vertragsverhältnisse einschließlich der Finanzierung betrachtet.

Der Geschäftsführer haftet im Zweifel persönlich

Aus der Analyse werden die Krisenursache, das Krisenstadium und die Fortführungsprognose abgeleitet. Dies ist sehr wichtig, da der Geschäftsführer in der Krise besonderen – persönlichen – Haftungs- und strafrechtlichen Risiken ausgesetzt ist und unter anderem zur Prognose der Unternehmensfortführung verpflichtet ist. So muss der Geschäftsführer jederzeit (!) sicherstellen, dass kein rechtlicher Grund zur Insolvenzanmeldung vorliegt, der Bundesgerichtshof hat dazu strenge Maßstäbe aufgestellt. Die Prüfung und Darstellung der Zahlungsfähigkeit und der Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn sind wesentliche Elemente der Fortführungsprognose. Sachkundige Unterstützung mit Sanierungserfahrung und großem Verständnis des Betriebes einer BGA ist dabei unabdingbar, denn für Laien sind die Regelungen kaum durchschaubar und es bestehen Darlegungs- und Interpretationsspielräume. Mit einem Sanierungskonzept nach IDW S6 können die Haftungsrisiken deutlich reduziert werden.

Die Krise überwinden – mit Beiträgen aller Beteiligten

Das Leitbild des sanierten Unternehmens – Bestandteil jedes IDW S6-Sanierungskonzeptes – gibt die Ziele vor, die mit der Sanierung erreicht werden sollen. Diese Zielstellung muss für jede BGA individuell erarbeitet werden.

Zur Erreichung der Sanierungsziele wird ein individueller Maßnahmenplan erarbeitet. Mit umfassenden Sanierungsmaßnahmen wird das Unternehmen in allen Bereichen fit gemacht, Tabus gibt es für eine erfolgreiche Sanierung in der Regel nicht. Maßnahmen umfassen oft sowohl technische Ertüchtigungen wie auch Nachverhandlungen, Optimierungen und Neuordnungen in bestehenden Vertragsverhältnissen, Regelung bestehender Verbindlichkeiten, Optimierung bestehender Finanzierungen, etc.  Meistens erfordern Sanierungen Beiträge aller Beteiligten, von Mitarbeitern über Gesellschafter und Lieferanten bis hin zu Banken und anderen Geldgebern. Notwendige Zugeständnisse, Stundungen oder gar Verzichte sind nur mit einem umfassenden Sanierungskonzept zu erreichen. Erst recht gilt dies, wenn zur Sanierung weitere Investitionen erforderlich sind, für die – möglicherweise auf dem Höhepunkt der Krise – zusätzliche Finanzierungsmittel erforderlich werden, um die Krise abzuwenden.

Oft spielen auch persönliche Befindlichkeiten in Verhandlungen, gerade in Krisensituationen, eine große Rolle. Die Einschaltung eines externen Sanierungsberaters kann solche Situationen auflösen und zu einer objektiven Behandlung schwieriger Situationen führen.

Integrierter Gesamtplan: Überblick über die Entwicklung der BGA

Der Istzustand, alle geplanten Maßnahmen und der Zielzustand werden in ihrer Wirkung im Sanierungskonzept in einer integrierten Gesamtplanung, die die Gewinn- und Verlustrechnung, die Bilanz und die Liquiditätsentwicklung in der Prognose zeigt, zusammengefasst und erläutert. Damit wird die Maßnahmenplanung in ein messbares Zahlenwerk überführt und eine klare Prognose erstellt, die als Entscheidungsgrundlage für alle Beteiligten dient.

Sanierung ist möglich

Die Sanierung von in Schieflage geratenen Biogasanlagen ist oft möglich – auch ohne einen Verkauf. Die Sanierung erfordert aber hohe Kompetenz, sowohl originäres Sanierungs-Know-How wie auch technische, organisatorische, wirtschaftliche, finanzielle und rechtliche Expertise sind erforderlich: Sanierungsexperten sind gefragt. Diese müssen überdies noch Erfahrungen mit BGA und im Anlagenbau haben. Diese umfassenden Kompetenzen finden sich in der Regel weder in Ingenieurbüros, noch bei Wirtschaftsprüfern, sondern bei spezialisierten Beratern, die wissen, wie Sanierung organisiert wird, die den Betrieb einer BGA verstehen, und die, falls nötig, Spezialisten etwa für technische Problemstellungen ggf. hinzuziehen. Erfahrene Berater beseitigen die Ursachen der Krise UND schaffen es, deren Symptome zu mildern.

Dies erkannte auch der Betreiber der Anlage in Norddeutschland. Er ließ für seine Anlage ein Sanierungskonzept erstellen. Seine Lieferanten verzichteten auf rund 20% ihrer rückständigen Forderungen gegen die Zusicherung, zukünftig pünktlich bezahlt zu werden, die Bank räumte die benötigten Mittel ein für die Ernte und für technische Ergänzungsmaßnahmen, gewährte Tilgungsaussetzung für 2 Jahre und einen reduzierten Sanierungszins, die Ernte wurde besser organisiert, so dass 30% der Erntenebenkosten eingespart wurden, Wärmelieferverträge wurden neu verhandelt, wodurch die Wärmeerlöse um fast 40% stiegen, technische Fehler im Anlagenbau und in der Steuerung wurden beseitigt, das undichte Dach des Fermenters erneuert, die beiden Gesellschafter brachten einen angemessenen Beitrag durch Eigenleistungen: das Gesamtpaket war der Schlüssel zum Erfolg. Nach rund 13-monatiger Sanierungsphase zeigt die Anlage heute stabil rund 94% Auslastung, 7% bessere Gasausbeute und erzielt seit einigen Monaten deutliche Gewinne. „Ohne die externe Unterstützung, die mir auch mal „den Kopf gewaschen hat“, die einfach alles angefasst und optimiert hat, hätte ich das nicht geschafft“, sagt der zufriedene Anlagenbetreiber, der den Weg aus der Krise durch den ganzheitlichen Ansatz und den Mut, die Krise offen anzugehen, gefunden hat, heute.

 

Matthias Bäcker

veröffentlicht in “Joule”, Ausgabe 06/2012

 

Diese Elemente sollten Bestandteil einer BGA-Sanierung sein

Analyse der nachfolgenden Punkte:

  • Technischer Zustand, notwendige Reparaturen, sinnvolle Änderungen und Ergänzungen
  • Substrat- und Erntelogistik: Organisation, Durchführung, Verbesserungspotenziale
  • Betriebsführung: Anlagensteuerung, Störfallbehandlung, Störungsursachen, Stabilität des Betriebs
  • Einkauf: Substrate, Logistik- / Erntedienstleistungen, Eigenstrombedarf
  • Absatz: EEG-Vergütungsstruktur, anwendbare Boni, Einspeiseabrechnungen, Wärmeverkauf
  • Rechtliche Situation: Genehmigungen, Vorschrifteneinhaltung, Sonstige rechtliche Fragen
  • Finanzierung: Verträge, Sicherheiten, Konditionen
  • Gesellschafts- und Gesellschafterstruktur
  • Krisenursachen-Feststellung
  • Insolvenzrechtliche Fortführungsprognose (Haftungs- und strafrechtliche Risiken!)
  • Leitbild des sanierten Unternehmens: wie sieht die Zukunft nach erfolgreicher Sanierung aus?
  • Maßnahmenplan, der alle Optionen einbezieht. Technische Optimierung, verbesserte Betriebsführung, Nachverhandlungen und Konditionsoptimierung in Einkauf, Absatz und Finanzierung, ggf. Neuordnung der Finanzierung, …
  • Integrierte Gesamtplanung mit GuV, Liquiditätsplan, Bilanz als messbare Größe
  • Zeithorizont: 1 bis 2 Jahre

 

Ab wann Sie einen Berater aufsuchen sollten

Es gibt keine feste Regel, ab wann fremde Hilfe sinnvoll ist, da bei jeder Anlage andere Konstellationen gelten. Wenn jedoch die Gewinne abnehmen, ohne dass dies ein einmaliger Sondereinfluss ist, wenn gar Verluste entstehen, sollten Sie externe Unterstützung hinzuziehen. Erst recht gilt dies, wenn Sie ihre Lieferanten nicht pünktlich bezahlen können, Schwierigkeiten haben, den Kapitaldienst pünktlich zu erbringen oder Lastschriftrückgaben auftreten. Generell gilt: je früher Sie Beraterunterstützung hinzuziehen, desto besser! Je schwächer die Krisensignale, je geringer die Schwierigkeiten, desto leichter ist es, Abhilfe zu schaffen. Je schwerer die Krise, desto schwerer sind regelmäßig auch die Einschnitte, die vorgenommen werden müssen!