Wiegen, messen, rechnen
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Nehmen wir es vorweg: Der Aufwand lohnt sich. Kaufmännische Führung und permanente technisch-logistische Optimierung sind notwendig, um den nachhaltigen Erfolg von Bioenergieanlagen (BEA) zu sichern. Sein Geld verdient der Controller allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er die innere ökonomische Logik der Bioenergieproduktion berücksichtigt: Konstanten Umsatzerlösen aus der Stromeinspeisung stehen im Zeitablauf steigende Kosten für Rohstoffe, Personal und Betriebsstoffe gegenüber. Um den größtmöglichen wirtschaftlichen Nutzen aus der Anlage herauszuholen, muss der Controller die wirklich erfolgsrelevanten technischen und ökonomischen Parameter kennen und überwachen. Und genau hier beginnen in der Praxis die Probleme.
Über die Zielsetzung seines Investments befragt, wird wohl jeder Anlagenbetreiber sofort bestätigen, dass er seine Anlage wirtschaftlich betreiben will. Mit dem Begriff „Wirtschaftlichkeit“ werden aber häufig sehr unterschiedliche Vorstellungen verbunden. Tatsächlich ist der Begriff synonym mit „Rentabilität“ und beschreibt das Verhältnis von Ertrag zum Aufwand. Damit ist er auch ein Effizienzmaß für den rationalen Umgang mit knappen Ressourcen. Während beim Bau einer Anlage oft das Minimalprinzip („500 kWel, Bau so günstig wie möglich“) vorherrscht, gilt später das Maximalprinzip („aus 100t Mais möglichst viel Strom produzieren“). Minimal- oder Maximallösungen sind aber selten das Optimum. Das liegt meist irgendwo in der Mitte und wird durch zahlreiche Parameter beeinflusst. Darunter sind die örtlichen Produktionsbedingungen, die Anlagentechnik und die Rohstoffe, aber auch die Betriebsführung, die Finanzierung und die Logistik.
Die Wirtschaftlichkeit einer BEA kann in jeder Phase eines Projektes – von der Vorbereitung und dem Bau über die Inbetriebnahme bis zum laufenden Betrieb – beeinflusst werden. Der Aufwand, der für Verbesserungen erforderlich ist, steigt dabei mit fortschreitendem Projektverlauf im Verhältnis zur möglichen Optimierung in der Regel massiv an. Während beispielsweise in der Planung Verbesserungen in der Anlagengestaltung problemlos möglich sind, sind sie im Nachhinein kaum noch durchführbar. Deshalb ist es wichtig, bereits in der Planungsphase Klarheit über das angestrebte betriebswirtschaftliche Optimum zu schaffen. Für den einen Investor ist eine hohe Betriebssicherheit entscheidend und eine höhere Investition hinnehmbar, während ein anderer konsequent nach Minimierung derInvestitionskosten strebt. Nach Maßgabe dieser Ziele ist das gesamte Projekt zu steuern. Das bedeutet nichts anderes, als dass ein gutes Controlling bereits in der Planungsphase beginnt!
Sachgerechtes Controlling setzt sich nach der Inbetriebnahme über die gesamte Betriebszeit der Anlage fort. Das ist schon deswegen unumgänglich, weil sich Erträge und Aufwendungen in solchen Projekten unterschiedlich entwickeln: Während die Kosten im 20-jährigen Planungszeitraum unentwegt steigen, bleibt die Einspeisevergütung über die gesamte Zeit hinweg konstant (Abbildung 1). Einziger Weg zu einer guten Wirtschaftlichkeit der Anlage ist demnach die Steigerung der Produktivität, und dies geht nun einmal nicht ohne ständige Kontrolle der Anlage. Nur mit einem sachgerechten Controllingsystem werden kontinuierliche Informationen über die wesentlichen Daten erfasst, aufbereitet und Betriebsführung, Gesellschaftern und Banken regelmäßig zur Verfügung gestellt. Controlling gibt einen konzentrierten Einblick in die wesentlichen Informationen vom Input über die Produktion, die Erfolgsrechnung und Bestandsentwicklung bis hin zu Finanzierung und Liquiditätsentwicklung sowie bestehende Verbesserungsmöglichkeiten.
Beim Aufbau eines Controlling-Systems einer BEA stellen sich folgende Herausforderungen:
Beispiele wichtiger Kenngrößen sind die Spezifische Stromproduktion (Stromproduktion je Mengeneinheit Substrat), die Auskunft über die Effizienz der Futterverwertung gibt, und die Leistungsbezogene Verfügbarkeit (Volllaststunden im Verhältnis zu Gesamt-Zeitstunden der Periode), die Auskunft über die Gesamtleistung der Anlage gibt. Neben einer regelmäßigen Zusammenfassung der Ist-Zahlen für Produktion, Absatz, Input, Verbrauch und der wesentlichen Kennzahlen, der Erstellung der Jahresplanung, des Soll-Ist- und des Vorjahresvergleichs mit Abweichungsanalyse umfasst ein fundiertes Controlling auch die Erarbeitung von Maßnahmen zur Optimierung sowie die Zusammenfassung der Ergebnisse.
Der Aufbau des Controllingsystems beginnt mit der Auswahl der Daten und Kennzahlen, die laufend ermittelt werden sollen. Der Fokus liegt auf aussagekräftigen Kennzahlen, die die Effizienz der Anlage abbilden und es ermöglichen, Verbesserungspotenziale zu erkennen. Die Auswahl wird auch bestimmt durch den Aufwand, der für die Erhebung notwendig ist. Das gesamte Controllingsystem muss, um tatsächlich Auskunft über Betriebserfolg und Effizienz geben zu können, ausschließlich aus periodenrichtig abgegrenzten, um steuerliche Effekte bereinigten betriebswirtschaftlichen Daten aufgebaut werden. Nach diesen Auswahlschritten kann die erste Jahresplanung erstellt werden. Sind noch keine Vorjahreswerte als Planungsgrundlage vorhanden, werden für das erste Planjahr Schätzungen beziehungsweise errechnete Planwerte verwendet. Parallel dazu werden die Prozesse zur Datenerhebung (beispielsweise Datenübernahme aus Steuerungssoftware/SPS, Betriebstagebuch, der Buchhaltung …) im Betrieb eingeführt und mit den Beteiligten abgestimmt, sodass die Informationen rechtzeitig, meist zum Monatsende, vorliegen. Fast immer sind Daten aus sehr verschiedenen Quellen und in verschiedenen Formaten zu verarbeiten, sodass manuelle Aufbereitung oder Erfassung nicht ganz vermeidbar ist. Struktur und Inhalt eines Controllingsystems für BEA sehen dann etwa folgendermaßen aus:
1. Produktion und Absatz:
2. Input und Produktion:
3. Betriebswirtschaftliche Auswertung:
4. Kapital und Verbindlichkeiten:
Schuldenentwicklung
Barreserven-/Rücklagenentwicklung
5. Cashflow/Liquidität:
Geldzu- oder -abfluss aus operativer Tätigkeit (operativer Cashflow)
Verwendung des Zuflusses beziehungsweise Finanzierung des Geldabflusses (Finanz- Cashflow)
Um Entwicklungen im Zeitverlauf besser erkennen zu können, hat sich neben der tabellarischen Übersicht die grafische Darstellung der wichtigsten Größen bewährt. Mit einem so aufgebauten Controllingsystem und dem daraus entstehenden regelmäßigen Reporting können alle Beteiligten schnell, sachlich und umfassend – auch entsprechend den Anforderungen der Banken – informiert werden und den Entwicklungsstand und eventuelle Verbesserungspotenziale der Anlage erkennen.
Natürlich können erfahrene Betriebsleiter die Controlling-Aufgaben selbst übernehmen. Allerdings ist der Aufbau eines systematischen Controllings, das auch den Anforderungen von Banken/Investoren genügt, aufwendig. Daher hat sich eine Auslagerung des Controllings durchgesetzt. Während sich der Betriebsleiter auf die operative Führung der Anlage konzentrieren kann, zeichnen für Aufbau und Unter- haltung des Controllingsystems externe Berater verantwortlich, die über Fachwissen und Erfahrung in Betriebswirtschaft, Buchführung und Technologie verfügen. Die Ergebnisse werden sinnvollerweise in einem monatlichen Anlagenreport zusammengefasst (Abbildung 2). Die Kosten müssen mit sinnvollen Standardlösungen nicht viel höher als 200 € monatlich liegen.
Matthias Bäcker