Der böse Anlagenbauer?!
Veröffentlichungen
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Georg Rahlfs betreibt eine Biogasanlage in der Nähe von Celle. Die Ende 2011 in Betrieb genommene und zweimal erweiterte Anlage verfügt über 1.175 kWel Leistung aus vier BHKW. Sie wurde schlüsselfertig von einem süddeutschen Anlagenbauer errichtet. Schon kurz nach der Inbetriebnahme zeigten sich erste Probleme. So funktioniert die Dosierung der Fütterung nicht und die Heizung kann den Fermenter nicht auf Temperatur halten.
Der Hersteller stellte Futterpläne zur Verfügung, nach denen der Betreiber die Anlage fütterte – jedoch erzeugte die nicht die planmäßige Gasmenge. Georg Rahlfs ließ den Gärrest untersuchen, dabei stellte sich heraus, dass über 20 % des Gaspotenzials ungenutzt ins Endlager wandern. Damit nicht genug, brauchen die BHKW deutlich mehr Gas für die Stromproduktion – der Wirkungsgrad der Motoren ist viel schlechter als in den Datenblättern angegeben.
Zu allem Überfluss zeigten die Motoren massiven vorzeitigen Verschleiß. Der Betreiber reklamierte die Mängel, wenn auch zunächst nicht mit aller Konsequenz, der Anlagenher steller reparierte einige Schäden, andere nicht, und stellte teilweise hohe Rechnungen für Reparaturen. Die erheblichen Ertrags einbußen, die durch schlechten Gasertrag, geringe Wirkungsgrade und die vielen Ausfälle verursacht wurden, gehen zu Lasten des Betreibers.
Der Fall von Georg Rahlfs ist sicher besonders schwerwiegend, doch es ist weit verbreitet, dass Störungen und Mängel auftreten, die Anlage nicht richtig läuft, die erwartete Gas und Stromproduktion nicht erreicht wird – und der Hersteller die Verantwortung für die Schwierigkeiten auf den Betreiber schiebt. Und nicht selten kommen finanzielle Engpässe hinzu, wenn sich Ertragseinbußen und hohe Reparaturkosten über längere Zeit hinziehen. Da ist Streit vorprogrammiert.
Sucht man nach Ursachen, warum so viele Betreiber Probleme mit ihrer Anlage und dem Hersteller haben, wird ein Grundmuster erkennbar, das oft die Situation kennzeichnet: Es wurde nicht ausreichend verschleiß- und standfeste Technik verbaut, die viel zu schnell und zu oft kaputtgeht.
Anlagen wurden schlecht geplant und die Betreiber zu wenig in den Betrieb, die einzuhaltenden Betriebsbedingungen und die Anforderungen an die Anlagenführung eingewiesen – vor allem in den Boomjahren des Anlagenbaus. Und nahezu jeder Anlagenhersteller hat versprochen, den Betreiber umfassend im Betrieb zu unterstützen und so ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut.
Die Verträge, die zwischen Hersteller und Betreiber geschlossen wurden, lassen die Leistungsanforderungen an die Anlage und die einzuhaltenden Betriebsparameter völlig offen und regeln Inbetriebnahme, Abnahme und Gewährleistung sehr einseitig zu Lasten des Betreibers, zumindest sieht es oft nach dem Wortlaut so aus. Anlagenhersteller berufen sich selbst dann darauf, wenn sie offensichtliche Fehler gemacht haben. Der Hersteller ist häufig der einzige Lieferant für Ersatzteile und Service, jedenfalls ist der Betreiber davon überzeugt, auch wenn dies längst nicht immer zutrifft. Der Betreiber hat noch Zahlungsverpfichtungen aus dem Bau der Anlage, mitunter auch aus vielen Reparaturen. Den Ertragsausfall muss er ganz alleine tragen.
Der Betreiber fährt die Anlage, wie er meint, dass es in Ordnung wäre. Häufig dokumentiert er zu wenig, gerade wenn es zu Problemen kommt. Im Schadensfall wird vieles mündlich besprochen, es fehlen Unterlagen und Fotos vor allem auf Seiten des Betreibers. Dokumente, Aufträge und Reparaturberichte werden arglos unterschrieben, oft auch mit „sanftem“ Nachdruck, damit überhaupt eine Reparatur erfolgt. Diese typische Gemengelage provoziert Konflikte. Es erfordert erhebliche Kompromissbereitschaft, will man für beide Seiten akzeptable Lösungen finden.
In dieser Gemengelage sollte man sich zunächst klar werden, welche Verantwortung Betreiber und welche Hersteller für den guten wirtschaftlichen Betrieb einer Biogasanlage haben. Der Betreiber hat natürlich die Verantwortung, die Anlage richtig zu bedienen, zu füttern, zu warten und zu unterhalten. Der Hersteller hat die Verantwortung, eine Anlage zu errichten, die bestimmungsgemäß arbeitet. Das ist mit der Ablieferung einer Anlage, die die vereinbarte BHKW-Leistung aufweist, jedoch noch längst nicht erledigt. Im Einzelfall kommt es auf die vertraglichen Vereinbarungen an, aber generell kann man sagen, dass der Hersteller bei schlüsselfertigen Anlagen, die er auch projektiert hat, in der Pficht ist, eine Anlage zu liefern, die wirtschaftlich arbeitet. Wenn dies durch Mängel, erhöhten Verschleiß, zu geringe Leistung oder wegen technischer Probleme nicht möglich ist, weil hohe und nicht zu erwartende Reparaturkosten anfallen und der Ertrag viel niedriger ist als zu erwarten wäre, ist in vielen Fällen der Hersteller in der Mitverantwortung – er trägt eine Systemverantwortung.
Viele Anlagenhersteller sehen dies jedoch anders und berufen sich darauf, dass für den Betrieb allein der Betreiber verantwortlich sei.
Für die meisten Teile, die auf einer Anlage verbaut werden, gibt es Haltbarkeiten. Die Betriebsbedingungen sind dem Anlagenbauer vorher bekannt, und wenn etwa Rührwerke oder deren Verstellmechanik gehäuft kaputtgehen oder Verstopfungen auftreten, weil das Rohrsystem nicht dem zu fördernden Medium entsprechend dimensioniert ist, dann sind das Konstruktionsfehler, für die der Anlagenbauer einstehen muss.
Anlagenbauer sehen immer gerne „normalen Verschleiß“, auch wenn es sich eigentlich um Konstruktionsfehler handelt. Generell muss eine BGA so gebaut sein, dass sie mit den dort zu erwartenden Anforderungen klarkommt und die Komponenten eine den Umständen entsprechende Standzeit aufweisen.
Was kann ein Betreiber tun, dessen Anlage hohem Verschleiß, Reparaturanfälligkeit und schlechter Leistung ausgesetzt ist? Die erste Grundregel: Aufschreiben, dokumentieren, protokollieren, fotografieren, schriftliche Bestätigungen ein holen oder verfassen – Schriftlichkeit und Dokumentation ist eine äußerst wichtige Grundlage des Erfolgs in Auseinandersetzungen an technischen Bauwerken. Denn in einer späteren Auseinandersetzung müssen alle Fakten belegt, alle Aussagen bewiesen werden.
Betreiber sollten alle Störungen in einem exakten Störungstagebuch protokollieren und so genau wie möglich beschreiben, wer was wann bemerkt hat, was getan wurde, wer in die Störungsbeseitigung involviert wurde und eventuell Anweisungen gegeben hat. Ferner sollten interne Aktennotizen angefertigt und Telefonate und Gesprächsinhalte festgehalten werden. Wenn Defekte schnell behoben werden müssen, damit die Anlage wieder läuft, ist oft keine Zeit, die Kostenfrage zu klären, und selbst im Nachhinein gelingt dies häufig nicht ohne Weiteres.
Der Betreiber sieht sich gezwungen, Rechnungen zu bezahlen, obwohl er der Meinung ist, das sei „eigentlich“ eine Reklamation. In diesen Fällen hilft es, Aufträge unter Vorbehalt der späteren Klärung zu erteilen und Zahlungen unter Vorbehalt der Rückforderung zu leisten.
Keinesfalls sollten Betreiber Reparaturen selbst vornehmen oder durch andere Firmen vornehmen lassen, wenn sie den Defekt beim Hersteller der Anlage reklamieren wollen. Zuerst muss immer dem Hersteller Gelegenheit gegeben werden, den Fehler selbst zu beseitigen. In dringenden Fällen können dafür auch sehr kurze Fristen gesetzt werden. Erst wenn gesetzte Fristen verstreichen und der Anlagenbauer nicht reagiert, sollten Dritte hinzugezogen werden. Und selbstverständlich gilt auch hier: alles schriftlich!
Bei nachhaltigen Leistungs- oder Verschleißproblemen sollten Betreiber das klärende Gespräch mit dem Hersteller suchen – dies erfordert gründliche Vorbereitung und Planung sowie klar definierte Gesprächsziele, sowohl im Hinblick auf die Beseitigung technischer Probleme wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Gesprächsthemen sollten vorher abgestimmt sein. Betreiber sollten nie alleine in derartige Verhandlungen gehen, sondern kompetente Unterstützung hinzuziehen. Dies gilt ganz besonders, wenn auf der Seite des Anlagenbauers mehrere Personen teilnehmen.
„Gute“ Anlagenbauer sind interessiert an einvernehmlichen Regelungen und versuchen, mit dem Betreiber eine gütliche Einigung zu finden. Dies gelingt nicht immer auf Anhieb, und mehrere Verhandlungsrunden sind normal, wenn es um hohe Beträge für Reparaturen, unklare Verantwortlichkeiten und um Ersatz von Ertragsausfällen geht. Mit Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten lassen sich aber häufig Lösungen finden.
Wenn jedoch die Probleme groß sind, der Hersteller nicht zu seiner Systemverantwortung steht und dem Betreiber die Lasten alleine aufbürden will, wird es sehr schwierig, Kompromisse zu finden. Ein Lösungsansatz kann dann die Einschaltung eines Mediators sein, der zwischen den Parteien vermittelt, wenn beide grundsätzlich damit einverstanden sind.
Georg Rahlfs gelang es nicht, einen Kompromiss mit dem Anlagenbauer zu finden, zu unterschiedlich waren die Vorstellungen der Verantwortlichkeiten. Er führt „seine“ Auseinandersetzung vor dem zuständigen Landgericht. Und dort hilft seine umfangreiche Dokumentation.
Matthias Bäcker